6. September 2017

Der Journalist Björn Erichsen ist einer der Initiatoren des Projekts „Superkühe“, das ab dem 4. September 2017 für 30 Tage drei Milchkühe auf drei unter-schiedlichen Milchviehbetrieben begleitet. Für ihn wird die Diskussion über die Tierhaltung oft von Meinung statt von Wissen bestimmt. Das Projekt schaut deshalb drei Tieren mit Sensoren „über die Schulter“, also mit Techniken, die auf Milchviehbetrieben heute zum Teil schon gang und gäbe sind, und lässt sie auf dieser Basis „selbst aus ihrem Leben berichten“. Damit sollen den Ver-brauchern Einblicke „aus erster Hand“ vermittelt werden, wie, wo und von wem das wichtige Lebensmittel Milch erzeugt wird.

Das Projekt „Superkühe“ nutzt Daten, die in den drei Betrieben seit Jahren für jedes einzelne Tier mithilfe von Sensoren erhoben werden und in das Herdenmanagement einfließen. Die Sensoren werden zum Teil von den Tieren getragen, etwa als Halsband, zum Teil sind sie aber auch Bestandteil der Melktechnik. Bei den Superkühen kommen zusätzlich noch sogenannte Boli zum Einsatz. Das sind kleine Sensoren, die aus dem Verdauungstrakt der Tiere Informationen zu dem dort herrschenden pH-Wert übermitteln sollen.

In der Summe werden bei diesen drei Tieren dann laut der Projektverantwortlichen Daten gesammelt und ausgewertet, „was und wie lange die Kühe fressen, wieviel und wie gute Milch sie geben, wie gesund ihre Euter sind. Zudem haben wir externe, für die Landwirtschaft entwickelte Sensoren gekauft, mit denen wir die Luftfeuchtigkeit und die Temperatur im Stall der Superkühe messen können. Und drei Pedometer, die dir zeigen, wie viel Schritte die Kühe zurückgelegt haben. Im Magen der drei Kühe misst außerdem ein Bolus Körperinnentemperatur, Pansen-pH-Wert, Trinkver-halten sowie die Bewegungsaktivität der Tiere.“

Milchviehhalter begrüßen das Projekt einerseits als interessanten Ansatz, Milchkühe in der modernen Milcherzeugung einmal in den Blickpunkt zu rücken. Andererseits bestehen aber auch Bedenken, dass die Daten von einer Kuh pro Betrieb ein nur lückenhaftes oder sogar falsches Bild ergeben könnten. So haben wissenschaftliche Versuchsreihen ergeben, dass von unterschiedlichen Boli im Verdauungssystem von Tieren zum Teil sehr stark abweichende Ergebnisse übermittelt werden. Auch wenn die Boli vorher alle kalibriert wurden, sind die Werte zum Teil nicht vergleichbar, berichten Fachleute. Außerdem empfehlen die Hersteller, immer mehrere Tiere einer Herde mit einem Bolus auszustatten.

Sensoren sind aus dem Herdenmanagement heute dennoch nicht mehr wegzudenken. Allerdings gilt im landwirtschaftlichen Alltag, dass erst der Landwirt, der seine Kühe und die Summe der Daten der einzelnen Sensoren im Blick hat, daraus wirklich nutzbare Informationen herauslesen kann. Wenn allein die Temperatur erhöht ist, dann kann das auch bedeuten, dass die Kuh brünstig ist. Diesen Zusammenhang kennen alle Frauen, die bei der Empfängnisverhütung auf die Temperaturmethode setzen. Auch Bewegungsdaten lassen, für sich allein genommen, keine großen Rückschlüsse zu. Sobald nämlich eine Kuh nach dem Kalben aus der Gruppe der Trockensteher in die Herde kommt, muss sie dort erst wieder ihren Platz finden. Und das ist immer mit einer höheren Aktivität verbunden, die ohne das Wissen um die Umwelt und die Rahmenbedingungen falsch interpretiert werden könnte.

DIALOG MILCH wird das spannende Projekt Superkühe deshalb in den kommenden Wochen weiter beobachten. Auch Gespräche mit Teilnehmern sind geplant, um mehr über ihre Mitarbeit in einem solchen Medienprojekt und die Resonanz darauf zu erfahren.

Stimme aus der Praxis

Wir sehen die ‚Superkühe‘ als ein spannendes Projekt, mit dem Verbraucher Einblicke in die moderne Milchviehhaltung bekommen können. Wie groß das Interesse ist, und ob die journalistische Übersetzung der Sensordaten dann gelingt, bleibt allerdings abzuwarten. Für viele Landwirte gehört die Sensortechnik schon seit Jahren zum Alltag, um bestmöglich über den Gesundheitszustand und das Wohlbefinden unserer Tiere informiert zu sein und sie optimal halten zu können. Deshalb kennt und nutzt jeder Landwirt ‚die Daten‘ seiner Kühe. Es wäre gut, wenn das für Verbraucher bei den Superkühen erkennbar wird.“

Hans Stöcker, Rheinischer Vorsitzender der Landesvereinigung der Milchwirtschaft NRW e.V. (LV Milch NRW).

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