8. November 2017

Was bedeutet die neue Düngeverordnung in der Praxis? – Ein Milchviehbetrieb gibt Aufschluss

Noch bewirtschaften die Eltern Karl und Hendrina den Milchviehbetrieb der Familie Bröcheler nahe Kleve, aber Sohn Andreas steht schon in den Startlöchern. In ca. drei Jahren, so auch der Wunsch der Eltern, möchte er den Betrieb übernehmen. Politische Vorgaben wie die novellierte Düngeverordnung erhöhen das finanzielle Risiko und erschweren die Entscheidung.

Lässt sich nicht entmutigen und möchte den Betrieb in drei Jahren von den Eltern übernehmen: Andreas Bröcheler mit seinem Vater Karl.

Rund 42 Hektar umfasst der Milchviehbetrieb, den Karl und Hendrina Bröcheler 1984 von Karls Eltern gepachtet und im Jahr 1990 ganz übernommen haben. 33 Hektar davon sind Grünland, das aufgrund der Lage im Gänseschutzgebiet nicht umgebrochen werden darf. Auf den übrigen neun Hektar wird Silomais erzeugt, der zusammen mit Grassilage als hochwertige betriebseigene Futtergrundlage genutzt wird. Weitere zehn Hektar Grünland sind zwar nicht gepachtet, werden aber ebenfalls von Bröchelers bewirtschaftet und zur Produktion von Grassilage genutzt. Sie tauchen damit jedoch nicht im Flächenverzeichnis auf, das für die Menge der innerbetrieblich verwertbaren Gülle ausschlaggebend ist.

Vom Frühjahr bis in den Herbst sind die schwarzbunten Milchkühe tagsüber auf der Weide und nur nachts im Stall. Im Winter erhalten sie das hofeigene Futter. „Tierwohl hat bei uns einen sehr hohen Stellenwert. Und wenn es unseren Tieren nicht gut ginge, dann hätten wir keine durchschnittliche Leistung von 9.800 kg Milch pro Kuh und Jahr“, sagt der 1986 geborene Junior Andreas Bröcheler. „Wir haben unsere Tiere immer im Blick. Das gilt beim Melken morgens und abends, aber auch zwischendurch, bei Routinekontrollen auf der Weide oder im Stall. So können wir direkt reagieren, wenn einmal etwas nicht in Ordnung sein sollte.“

Fläche ist der limitierende Faktor

Weidegang: Alltag für die Milchkühe der Bröchelers von Frühjahr bis Herbst.

Die Familie Bröcheler würde gerne zusätzliche Flächen pachten oder zukaufen, aber: „Wir merken zunehmend, dass nicht nur die Berufskollegen auf der Suche nach Flächen sind. Auch Investoren legen ihr Geld heute oft in Grund und Boden an und treten so mit uns in zusätzliche Konkurrenz. Die angespannte Situation bei der Fläche steckt für uns die Obergrenze für den Tierbestand – und damit auch den engen Rahmen für die betriebliche Weiterentwicklung. Uns bleibt deshalb nur, unsere Gegebenheiten bestmöglich zu nutzen“, sagt der Junior zu der Situation des Betriebes.

Aus diesem Grund hat Andreas Bröcheler noch vor dem staatlich geprüften Agrarbetriebswirt eine Ausbildung zum Maschinenbaumechaniker absolviert. Die Wartung und Reparaturen an der Technik auf dem elterlichen Hof übernimmt er schon seit Jahren selbst. Die Vielseitigkeit der Landwirtschaft und die selbstständige Arbeit mit Tieren – das ist der Grund für die Pläne, den elterlichen Betrieb in etwa drei Jahren zu übernehmen, auch wenn mit Blick auf die Zukunft derzeit manche Frage offen bleibt.

„Wir müssen Nährstoffexporte durch Nährstoffimporte kompensieren“

Die Weide sowie Mais- und Grassilage bilden die betriebseigene Futtergrundlage.

So lautet die ernüchternde Einschätzung von Andreas Bröcheler, wenn es um die Folgen der neuen Düngeverordnung geht. „Im Grünland dürfen wir maximal 360 kg/ha Stickstoff im Jahr düngen. Damit können wir die Nährstoffentzüge ausgleichen, die bei viermaliger Ernte von hochwertiger Grassilage entstehen. Allerdings dürfen wir nach der neuen Düngeverordnung nicht mehr wie früher 210 oder sogar 230 kg/ha N der Nährstoffentzüge mit Gülle ausgleichen, sondern nur noch 170 kg/ha N pro Jahr. Die 190 kg/ha N, die so bis zu dem Entzug in Höhe von 360 kg fehlen, müssen wir als Mineraldünger teuer zukaufen, obwohl wir mit der eigenen Gülle noch Nährstoffe verfügbar haben“, beschreibt Andreas Bröcheler die Situation.

Die Gülle, die nach der novellierten Düngeverordnung nicht mehr auf den eigenen Flächen eingesetzt werden darf, wird von einem Lohnunternehmer zu Ackerbaubetrieben in der Region transportiert und dort ausgebracht. „Wir arbeiten mit Betrieben zusammen, die unsere wertvolle Gülle aufnehmen und nutzen. Vor der Neufassung der Düngeverordnung mussten wir etwa 800 Kubikmeter pro Jahr abgeben – und dafür rund acht bis zehn Euro zzgl. Mehrwertsteuer pro Kubikmeter zahlen. Jetzt sind das bereits 1.400 m3 und damit rund 5.600 kg Stickstoff pro Jahr, die unseren Betrieb in organischer Form teuer verlassen, um dann als Mineraldünger wieder teuer eingekauft zu werden“, zeigt der Junior die finanzielle Dimension für den Familienbetrieb auf.

Weitere Kosten drohen

Zukünftig wird die Familie einen Teil der Nachzucht frühzeitig an andere Betriebe verkaufen müssen, um Nährstoffobergrenzen ihrer Böden einhalten zu können.

Andreas Bröcheler macht auf einen weiteren Aspekt aufmerksam: „Ab 2020 sind nach der novellierten Düngeverordnung Prallteller bei der Gülleausbringung verboten (Anm. d. Red.: Der Prallteller ist ein rundes Blech zur breitflächigen Ausbringung der Gülle), und seit 2015 muss die Gülle verpflichtend bodennah ausgebracht werden. Und das bedeutet entweder Investitionen in neue Ausbringtechnik, oder wir müssen auch hier die Leistung eines Lohnunternehmers einkaufen. Und das sind weitere vier Euro zzgl. Mehrwertsteuer pro Kubikmeter Gülle, die dann sogar bei der Ausbringung auf unseren eigenen Flächen anfallen“, so der junge Landwirt.

Um den Familienbetrieb trotzdem auch für die nächste Generation fit zu machen, haben sich Karl und Hendrina Bröcheler entschieden, noch vor der Übergabe an ihren Sohn in neue Melktechnik zu investieren. Der manuelle 3+3 Tandemmelkstand, der aktuell noch genutzt wird, soll voraussichtlich durch einen side-by-side Doppelzehner oder Doppelzwölfer Melkstand ersetzt werden. „Unser Ziel ist, dass Andreas den Betrieb nachher allein bewirtschaften kann. Wir haben uns deshalb zu dieser Investition in die Arbeitswirtschaft entschieden“, berichten Karl und Hendrina. „Gerade angesichts der Milchpreise im letzten Jahr und wegen der Konsequenzen, die sich aus der novellierten Düngeverordnung ergeben, haben wir sehr lange über diese Investition nachgedacht. Aber nur mit einem solchen Schritt können wir den Betrieb zukunftsfähig weitergeben.“

Mit den Zahlen vertraut …

… ist Andreas Bröcheler. Mit einer entsprechenden Software erstellt er die von der Düngeverordnung geforderten Nährstoffvergleiche, um so auch die nötigen Nachweise über das betriebliche Nährstoffmanagement vorlegen zu können. „Im Moment spüren wir die neuen Einschnitte bei der Obergrenze für Güllestickstoff. Deutlich schwerer ist es für uns, mögliche Auswirkungen der Düngeverordnung im Hinblick auf gut mit Kalium und Phosphor versorgte Flächen abzuschätzen. Hier liegen wir zum Teil in den mittleren Gehaltsstufen, also C, zum Teil aber auch in der noch höher versorgten Stufe D“, sagt der Junior.

„Die Politik spricht immer davon, dass landwirtschaftliche Familienbetriebe gefördert werden sollen. Die Realität ist aber, dass die kleineren Betriebe manche politische Vorgabe kaum noch erfüllen können. Egal ob Umbruchverbote von Grünland wegen der Gänse, erzwungene Nährstoffexporte mit dem damit erzwungenen Ersatz durch Nährstoffzukauf, die Flächenkonkurrenz mit Investoren oder notwendige Investitionen in neue Technik – da könnte die Politik noch manches für Familienbetriebe tun“, sind sich die Bröchelers einig.

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