27. Oktober 2021

Soja und Mais beherrschen das Bild im amerikanischen „Corn-Belt“. Ein hoher Prozentsatz der angebauten Pflanzen ist gentechnisch verändert. (Foto: Frangenberg)

Welche Rolle spielen gentechnisch veränderte Komponenten im Futter von Milchkühen?

„Die meisten Nutztiere in Deutschland bekommen Futter, das mit Gentechnik in Kontakt gekommen ist. Das liegt vor allem am importierten Sojafutter“, berichtet das Bundesinformationszentrum Landwirtschaft[1]. Ein Grund: proteinhaltiges Futter ist für die Ernährung der Kuh unerlässlich, aber der Bedarf kann aktuell mit den in Deutschland/Europa angebauten Mengen nicht gedeckt werden. Gleichzeitig gilt aber mit Stand August 2019: „Fast zwei Drittel der deutschen Milch sind gentechnikfrei“[2], und der Trend in dieser Richtung hält weiter an. DIALOG MILCH ist dem „Was, Wie viel, Warum, Woher“ von gentechnisch veränderten Komponenten im Futter von Milchkühen einmal nachgegangen.

Viele deutsche Verbraucher stehen dem Einsatz der Gentechnik in der Landwirtschaft kritisch gegenüber. Dem tragen immer mehr Molkereien Rechnung und vermarkten ihre Milch und Milcherzeugnisse unter dem

Label „Ohne Gentechnik“ (BMEL)

Label „Ohne Gentechnik“. Die letzten aktuellen Zahlen datieren vom August 2019; danach wurden rund 60,5 Prozent der angelieferten Milch nach diesem „Ohne-Gentechnik-Standard“ erzeugt. Addiert man den Anteil von Biomilch mit rund 3,8 Prozent hinzu, dann wurden im Jahr 2019 fast zwei Drittel der von den Molkereien in Deutschland erfassten Milch „gentechnikfrei“ erzeugt.[2] Nach den Angaben der Agrarmarkt-Informationsgesellschaft (AMI) wuchs der Anteil der gentechnikfreien Milch von 3 Prozent im Jahr 2011 zunächst auf knapp 13 Prozent im Jahr 2016.[3] Seither war ein starkes Wachstum in diesem Segment auf jetzt über 60 Prozent [2]zu erkennen. Allerdings reicht das inländische Aufkommen an verdaulichem Eiweiß nicht aus; die fehlende Menge wird über Importfuttermittel zugeführt. Da die Grundfutterernte 2018 witterungsbedingt extrem eingebrochen ist und gleichzeitig auch weniger Sojaextraktionsschrot (SES) und Rapsextraktionsschrot (RES) verfüttert wurde, ist die sogenannte „Eiweißlücke“ (der Anteil aus ausländischen Futtermitteln) deutlich angestiegen. In normalen Jahren zuvor wurden ca. 25 % des Aufkommens an verdaulichem Eiweiß über Importfuttermittel zugeführt.[4]

Woher kommt das „ohne-Gentechnik-Futter“?

Ein Beitrag auf der Internetplattform www.transgen.de[5] geht dieser Frage vor dem Hintergrund nach, dass heute die Erzeugung „bei Milchprodukten […] ‚ohne Gentechnik‘ fast Standard“ ist. Das entsprechende Label „Ohne Gentechnik“ bezieht sich in erster Linie auf das Futter, das die Tiere erhalten. Damit stellt sich allerdings die Frage, wo beispielsweise die „gentechnikfreien“ Sojabohnen herkommen, die dafür benötigt werden. Dazu heißt es auf dieser Plattform: „Als einziges nicht-europäisches Erzeugerland bietet Brasilien in größeren Mengen ‚gentechnikfreie‘ Sojabohnen an.“ Allerdings scheint es immer schwieriger, von dort gentechnikfreies Sojaschrot zu beziehen, da inzwischen rund 96 Prozent der Anbauflächen im Brasilien mit gentechnisch verändertem Soja bestellt werden. [5]

„Gentechnikfreies“ muss von gentechnisch verändertem Soja über die gesamte Produktionskette, d. h. vom Saatgut über den Anbau, die Ernte, den Transport inklusive Verschiffung bis hin zur Verarbeitung getrennt werden. Dennoch kann es zu unbeabsichtigten und technologisch unvermeidbaren Einträgen von geringen Spuren gentechnisch veränderten Sojas kommen. Dabei darf der Schwellenwert von max. 0,9 Prozent nicht überschritten werden. Bei dem aus Brasilien importierten Soja liegen die Anteile von gv-Soja in der als „gentechnikfrei“ gehandelten Ware zwischen 0,1 und 0,9 Prozent.[5] 

Sojabohnen – ein wichtiger Proteinlieferant. Wichtigstes Importland für Deutschland sind die USA (Foto: Frangenberg) und Kraftfutter (Foto: Fodjan GmbH)

Anbau in Deutschland nicht zulässig

In der Europäischen Union ist ein Anbau von gentechnisch veränderten Sojabohnen nicht zulässig. Aber schon rund 75.000 Hektar gentechnikfreie Sojabohnen werden im Jahr 2021 in Österreich erzeugt. An zweiter Stelle folgen Deutschland und Russland. „Das sagt der jüngste Marktbericht der Organisation Donau Soja, der die europäischen Sojaanbauländer vergleicht. […] Auch wenn die Ernte erst im September beginnen wird, stehen die Zeichen günstig für eine weitere Rekordernte. Wenn sich die Soja-Felder in Österreich gut entwickeln, dann können 12.000 Soja-LandwirtInnen heuer eine Rekordernte von 225.000 Tonnen erwarten.[6]  Dieser positive Trend ist laut Donau Soja auch in anderen Anbauregionen Europas erkennbar. Trotzdem weisen Experten darauf hin, dass die Erntemengen insbesondere in Deutschland im Vergleich zu den benötigten Mengen viel zu gering sind: „Gemessen an den Importen fällt die heimische Sojaproduktion kaum ins Gewicht.“[5]

Insgesamt sind „nach Angaben von Branchenverbänden […] derzeit vier bis fünf Millionen Tonnen ‚Ohne Gentechnik‘-Sojabohnen aus Brasilien (80 %) und Europa erhältlich. Geringe Mengen sind zertifiziert auch aus Indien verfügbar.“[5]

Ein Grund dafür, dass Futtermittel „ohne Gentechnik“ nicht in ausreichendem Umfang zur Verfügung stehen, ist darin zu sehen, dass der Anbau heimischen Sojas vergleichsweise weniger ertragreich und auch teurer ist. Eiweißfutterpflanzen wie Ackerbohnen etc. müssen eine echte ökonomische Alternative zu anderen Marktfeld­früchten bieten. Wenn eine höhere Zahlungsbereitschaft zugunsten heimischer Eiweißfutterpflanzen vorhanden wäre, könnte man für den Bereich Milcherzeugung sicherlich die Versorgungslücke mit Futter aus regionalem Anbau schließen, die Fruchtfolgen erweitern und zugleich die Biodiversität verbessern.

Allerdings ist die Zahlungsbereitschaft der Konsumenten fraglich: „Akzeptieren die Konsumenten höhere Preise – allein für ‚ohne Gentechnik‘ bei ansonsten gleichbleibender Qualität der Produkte? Oder zwingen die großen Handelsketten ihre Landwirte, die Mehrkosten für gentechnikfreie Futtermittel zu übernehmen? Für die Erzeuger in Brasilien lohnen Investitionen in ‚gentechnikfreien‘ Anbau und separate Warenketten nur, wenn die Europäer ihnen langfristig höhere Preise garantieren. Wenn nicht, ist der weiter ansteigende Absatz in China für sie das bessere Geschäft.“[5]

Raps (Foto: Albrecht Fietz auf Pixabay) und Beispielhafte Kennzeichnung gentechnisch veränderter Inhaltsstoffe (Foto: https://www.transgen.de/recht/497.leitfaden-kennzeichnung-gentechnik.html)

Große Bedeutung proteinhaltiger Futtermittel

Der Großteil des Futters, das hierzulande an Nutztiere verfüttert wird, ist gentechnikfrei. Es stammt von deutschen Feldern, wo seit 2012 keine gentechnisch veränderten Pflanzen mehr angebaut werden.“[1]

Dass in Deutschland aber trotzdem Futtermittel mit gentechnisch veränderten Komponenten zum Einsatz kommen, hat einen einfachen Grund: Sowohl in Deutschland als auch in der EU werden zu geringe Mengen von eiweißreichen Futterpflanzen angebaut. Der daraufhin erforderliche Import von Futtermitteln wird allerdings nicht nur wegen des möglichen Gehalts an gentechnisch veränderten Bestandteilen kritisiert; auch die mögliche Rodung von Regenwald etwa in den Ländern Südamerikas, ein dort zum Teil kritisierter (zu) hoher Chemikalieneinsatz und Menschenrechtsverstöße bei der Landnahme sind damit verbundene Problembereiche.[7]

Mit der im Dezember 2012 verabschiedeten Eiweißstrategie[8] zielt die Bundesregierung deshalb u. a. darauf ab, die Abhängigkeit von Importen und die damit ggf. verbundenen negativen Effekte zu verringern. Gleichzeitig soll so der Ackerbau in Deutschland vielfältiger gestaltet werden. In der Folge hat der Anbau von Sojabohnen in Deutschland von 1.000 Hektar im Jahr 2008 auf knapp 29.000 Hektar im Jahr 2019 (und sogar auf geschätzte 37.000 Hektar in 2021[9]) zugenommen. Mit Blick auf den Bedarf ist dies allerdings erst ein kleiner Schritt. Deshalb laufen derzeit u. a. auch Versuche zu einer stärkeren Nutzung von Erbsen, Ackerbohnen, Klee, Luzerne und weiteren kleinkörnigen Leguminosen.[7]

Für 2020 ist davon auszugehen, dass einschließlich Gras und Silomais rund 75 Prozent der für die Nutztiere in Deutschland benötigten Proteine auch hier angebaut wurden. Dabei spielt Raps in Deutschland eine herausragende Rolle. Allerdings lag der Selbstversorgungsgrad bei den klassischen Proteinpflanzen nach den Berechnungen von OVID bei „Raps-, Sonnenblumen- und Sojaschrot 2020 gerade einmal bei 30 Prozent.“[10] Allerdings wurde im Jahr 2017 „erstmals mehr Rapsschrot verfüttert als Sojaschrot. Rapsschrot fällt bei der Verarbeitung von Raps zu Biodiesel oder Öl als eiweißreiches Nebenprodukt an. Dieses profitiert von der wachsenden Nachfrage nach heimischen und damit ‚gentechnikfreien‘ Futtermitteln. Vor allem Rinderhalter stellten von Soja auf Raps um und erfüllten damit die Vorgaben vieler Molkereien und der großen Handelsketten, die ihre Milchprodukte mit dem ‚Ohne Gentechnik‘-Label auszeichnen wollen.“[11]

Foto: Bildarchiv www.dialog-milch.de

Thema „Zusatzstoffe“

Nicht nur Futtermittel für Nutztiere, sondern auch Lebensmittel, die für den menschlichen Verzehr vorgesehen sind, können mit Gentechnik in Berührung kommen. Darauf weist das Bundesinformationszentrum Landwirtschaft hin. [1] Hier sind häufig Zusatzstoffe enthalten, wie beispielsweise Vitamine, Aminosäuren oder Enzyme, die mittels der sogenannten weißen Gentechnik[12] hergestellt werden. Diese Stoffe enthalten selbst keine gentechnisch veränderten Bestandteile, sondern werden nur von entsprechend modifizierten Mikroorganismen erzeugt. Interessanterweise werden die Verfahren und Erzeugnisse der weißen Gentechnik gesellschaftlich kaum hinterfragt.

Wo gilt überhaupt eine Kennzeichnungspflicht?

In der Europäischen Union wurden Verordnungen zur Kennzeichnung, Zulassung und Rückverfolgbarkeit von gentechnisch veränderten Lebens- und Futtermitteln erlassen. Dies sind die EG-VO Nr. 1829/2003 und die EG-VO Nr. 1830/2003. „Seit 18. April 2004 sind alle Lebensmittel und Futtermittel zu kennzeichnen, die aus einem gentechnisch veränderten Organismus (GVO) bestehen oder hergestellt wurden und auch dann, wenn der GVO im Endprodukt analytisch nicht mehr nachzuweisen ist. Ebenso sind Zutaten, die aus GVO hergestellt werden, erfasst.“[13]

Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) geht laut Bundesinformationszentrum Landwirtschaft davon aus, dass sich gentechnisch veränderte Futtermittel „nach heutigem Stand der Forschung nicht auf Milch, Fleisch oder Eier der Tiere“[1] auswirken. Die gentechnisch veränderten Bestandteile – so der derzeitige Kenntnisstand – werden wie auch die nicht gentechnisch veränderten Bestandteile schon im Verdauungstrakt abgebaut und „in kleine Bruchstücke zerlegt“.

Dies ist wahrscheinlich auch der Grund dafür, dass Fleisch und Milch von Tieren, die mit gentechnisch verändertem Futter gefüttert wurden, nicht als gentechnisch verändert gekennzeichnet werden müssen. Dennoch bevorzugen einige Verbraucher Fleisch und Milchprodukte, die von Tieren stammen, die ohne gentechnisch verändertes Futter gefüttert wurden. Hier setzt das erwähnte Label „Ohne Gentechnik“ an. Daran können Konsumentinnen und Konsumenten ablesen, „dass keine gentechnisch veränderten und kennzeichnungspflichtigen Futtermittel eingesetzt wurden“. Dies können die Hersteller auf freiwilliger Basis deutlich machen.

Fazit:

Gentechnik, gentechnisch veränderte Organismen und damit erzeugte Produkte gehören an vielen Stellen bereits – mehr oder minder unbemerkt – zum Alltag. Während weiße und rote Gentechnik[14] vielfach stillschweigend akzeptiert sind, begegnet der grünen Gentechnik seitens der Bevölkerung unverminderte Skepsis. Dem trägt die Milchwirtschaft mit dem stetigen Wachstum des Segments „Ohne Gentechnik“ Rechnung.

[1] https://www.landwirtschaft.de/diskussion-und-dialog/tierhaltung/gentechnik-in-futtermitteln

[2] https://www.ohnegentechnik.org/artikel/fast-zwei-drittel-der-deutschen-milch-sind-gentechnikfrei

[3] https://www.ami-informiert.de/news-single-view?tx_aminews_singleview%5Baction%5D=show&tx_aminews_singleview%5Bcontroller%5D=News&tx_aminews_singleview%5Bnews%5D=14247&cHash=46494029c93f619da489747721f9acca

[4] https://www.ufop.de/files/2216/1357/6857/UFOP_Versorgungsbericht_A5_D_20_21_160221.pdf

[5] https://www.transgen.de/lebensmittel/2622.futter-soja-ohne-gentechnik.html

[6] https://www.donausoja.org/fileadmin/user_upload/Press/Press_Release/_20210624_Marktbericht_Juni_2021.pdf

[7] https://www.bund.net/fileadmin/user_upload_bund/publikationen/landwirtschaft/landwirtschaft_sojareport.pdf

[8] https://www.ble.de/DE/Projektfoerderung/Foerderungen-Auftraege/Eiweisspflanzenstrategie/eiweisspflanzenstrategie_node.html

[9] https://www.proplanta.de/agrar-nachrichten/pflanze/eu-sojaanbau-erreicht-rekordniveau_article1621329883.html

[10] https://www.ovid-verband.de/artikel/meldungen/selbstversorgung-mit-raps-und-sojaproteinen-ist-ausbaufaehig

[11] https://www.transgen.de/lebensmittel/599.sojabohnen-deutschland-anbau-importe.html

[12] https://gentechniken.de/weisse-gentechnik/

[13] https://milchindustrie.de/sachstand-zur-gentechnik/

[14] https://gentechniken.de/rote-gentechnik-kreativ-und-wagemutig/