23. Juli 2021

Galloway, Charolais und Holstein – wie unterscheiden sich die Rinderrassen?

In den vergangenen Jahrzehnten wurde die Rinderhaltung zum Teil von der Zucht auf hohe Milch- oder Fleischleistungen geprägt. Beitrag: „Rinder als Nutztiere – eine lange Geschichte!“. Daneben finden sich gleichermaßen Zweinutzungsrassen mit Eignung für beide Produktionsrichtungen sowie – als wieder wachsende Gruppe – Robustrassen, die sich besonders für extensive Haltungsformen eignen.

Laut Statista-Datenbank sank die Zahl der insgesamt in der deutschen Landwirtschaft gehaltenen Rinder während der vergangenen Jahre kontinuierlich ab. Nach einem Höchststand von 20,8 Millionen im Jahr 1980 und gut 14,5 Millionen im Jahr 2000 wurden im Jahr 2020 noch rund 11,4 Millionen Rinder auf landwirtschaftlichen Betrieben in Deutschland gehalten. Darunter sind rund vier Millionen Milchkühe, die heute vorzugsweise den vier Rassen Schwarz- und Rotbunte, Fleckvieh, Deutsches Braunvieh, Angler/Deutsches Rotvieh und Jersey angehören.

Schwarzbunte, Foto: Bruno – Germany, Pixabay

Die männlichen Kälber dieser milchbetonten Rassen werden zumeist für die Kälbermast genutzt. Der Schlachtkörper dieser Tiere weist einen geringeren Muskelfleischanteil auf. Deshalb lohnt sich die Mast bis zum ausgewachsenen Tier (Bullenmast) wirtschaftlich nur dann, wenn die Tiere regional und zu guten Konditionen vermarktet werden können. Allerdings ist hier die Futterverwertung im Gegensatz zu fleischbetonten Rassen weniger effizient.

Anders bei den fleischbetonten Zweinutzungsrassen wie Gelbvieh oder Fleckvieh; hier sind ein guter Fleischansatz und recht ansprechende Milchleistungen erzielbar. Demgegenüber ist für reine Fleischrassen eine ausgeprägte Bemuskelung typisch und die Milchleistung fällt im Vergleich zu den Milchrassen deutlich ab. Wichtige Fleischrassen sind beispielsweise Charolais, Limousin und Angus.

In den Milchviehbetrieben mit Schwarz- und Rotbunten werden Kühe, die nicht zur Zucht verwendet werden sollen, mit Sperma von Fleischrinderbullen besamt. Die daraus resultierenden Kreuzungskälber sind ebenfalls sehr gut zur Mast geeignet.

Als weitere Gruppe sind schließlich noch die sogenannten Robustrassen zu nennen, zu denen beispielsweise Galloway und Schottisches Hochlandrind zählen. Diese Rassen sind im Hinblick auf die Haltung, das Futter und die Witterung weitgehend anspruchslos; sie sind meist kleiner und wachsen langsamer. Aufgrund dieser Eigenschaften eignen sich diese Rassen auch für die ganzjährige Freilandhaltung und auf extensiven Standorten.

Limousinbulle, Foto: Yvonne Huijbens, Pixabay

Kritische Gedanken zur Zucht auf Hochleistung

Die Holsteinrasse ist die am häufigsten vorkommende Milchviehrasse der Welt und wird praktisch weltweit zur Milchproduktion genutzt, da keine andere Rinderrasse eine höhere Milchleistung aufweist. Der Durchschnitt der Holstein-Kühe liegt in Deutschland bei rund 9.000 Kilogramm Milch im Jahr. Trotz der hohen Temperaturen und der trockenen Bedingungen geben Holstein-Kühe in Israel sogar durchschnittlich rund 12.000 kg im Jahr. Demgegenüber liegt die Milchleistung beispielsweise von Fleckvieh-Kühen mit durchschnittlich knapp 8.000 kg Milch pro Jahr deutlich niedriger. Ein Vorteil der Zweinutzungsrasse Fleckvieh ist allerdings, dass sich für Fleckviehfleisch ein höherer Erlös erzielen lässt.

Eine einseitige Ausrichtung der Tierzucht auf eine maximale Milch- oder Fleischleistung wird heute zunehmend hinterfragt. Kritisiert werden Aspekte wie eine zu geringe Nutzungsdauer von Milchkühen, die im Schnitt bereits nach 2,7 Laktationsperioden[1] die Herde verlassen, der (zu) geringe monetäre Wert männlicher Kälber von Milchrassen oder auch die – in Deutschland nicht übliche – Überzüchtung von Fleischrassen wie den Blau-Weißen Belgiern.

Melkzeug am Euter, Foto: Wolfgang Ehrecke, Pixabay

Nutztiere mit sehr hohen Leistungen benötigen eine sehr gute Fütterung und Überwachung und seien „damit im Grunde genommen nur etwas für Spezialisten“. Bei der Bewertung von Leistungssteigerungen sei deshalb auch zu beachten, dass die Fähigkeit der Tierhalter mit der wachsenden Leistung der Tiere mitwachsen müsse. Nur so werde es möglich, die Tiere mit hohen Leistungen entsprechend ihren Bedürfnissen zu versorgen. Dieser Anspruch spiegelt sich in der Spezialisierung der landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland wider; der frühere Hof mit einigen Rindern, Schweinen, Gänsen und Hühnern würde den hohen Ansprüchen der heutigen Tiere nicht mehr gerecht werden können. Allein schon die korrekte Berechnung der Futterrationen hochleistender Milchkühe erfordert fundierte und aktuellste Kenntnisse vom Stoffwechsel der Tiere.

[1] Die Laktationsperiode ist die Zeit zwischen einer Kalbung und dem Trockenstellen, in der eine Kuh Milch bildet (Milchbildungsperiode) und gemolken wird. Eine Laktationsperiode dauert im Durchschnitt ca. 305 Tage.