7. Dezember 2021

 „Milch ist gesund“ ̶ was ist dran an der Aussage?

Die Oma schwört auf ihren täglichen Betthupferl „Heiße Milch mit Honig“, der sie ihrer festen Überzeugung nach gesund hat alt werden lassen. Omas Meinung ist natürlich schnell anfechtbar. Man kann nicht allein aus dem regelmäßigen Konsum eines Lebensmittels eine pauschale Gesundheitsaussage davon ableiten. Fakt ist jedoch, dass eine vielseitige und ausgewogene Ernährung neben weiteren Lebensfaktoren einen wichtigen Beitrag zur Gesundheit darstellt. Wie sieht es aber mit der Bewertung von einzelnen Lebensmitteln aus? Wie gesund ist denn nun zum Beispiel Milch? Im Folgenden werden häufig gestellte Fragen rund um den Gesundheitswert der Milch aus Sicht der Wissenschaft beleuchtet.

Was spricht für die Milch?

Im Kindesalter bietet Milch alle erforderlichen Nährstoffe für eine optimale Entwicklung. Auch für den Erwachsenen stellt die Milch aufgrund ihrer ausgewogenen Nährstoffzusammensetzung in Kombination mit anderen Lebensmitteln eine vollwertige Ernährung sicher. Milch liefert Energie in Form von Milchzucker und -fett, hochwertiges Eiweiß für den Aufbau von Zellen und Wirkstoffen im Körper sowie zahlreiche lebensnotwendige Vitamine und Mineralstoffe. So stellen Milch und Milchprodukte die Hauptquelle für Vitamin B2 – und Vitamin B12 bei Vegetariern – dar und sind weiterhin eine wichtige Quelle für gut verwertbares Calcium sowie für Jod (siehe Grafik 1).

 Wie viel Milch ist gesund?

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE)1 empfiehlt für den Erwachsenen täglich

200-250 g Milch und Milchprodukte sowie 50-60 g (= 2 kleine Scheiben) Käse. Neben der Nährstoffversorgung wirkt sich diese Verzehrmenge positiv auf die Gesundheit des Menschen aus. So kann das Risiko für die Entstehung von Erkrankungen wie Bluthochdruck, Diabetes mellitus Typ 2 (Alterszucker) sowie Dickdarmkrebs eindeutig gesenkt werden. Dies ergab eine Auswertung einer Reihe von großen wissenschaftlichen Studien zum Thema „Milch und seine Auswirkungen auf den Menschen“ des Bundesforschungsinstituts für Ernährung und Lebensmittel2 im Jahr 2016. Aufgrund ihres hohen Calciumgehaltes (siehe Grafik 2) unterstützt der regelmäßige Konsum von Milch zudem die Knochengesundheit in allen Altersgruppen. Eine hohe Knochendichte kann das Risiko, an Osteoporose zu erkranken, verringern.

Ab welchem Lebensalter ist Milch empfehlenswert?

Das Forschungsdepartment Kinderernährung (FKE)3 empfiehlt nach den ersten 4-6 Lebensmonaten von Säuglingen die Beikosteinführung. Als zweite Beikost wird ungefähr im 6. Lebensmonat ein Milch-Getreide-Brei empfohlen, der 200 ml Milch enthält. Mit der Einführung der Familienkost gegen Ende des 1. Lebensjahres geht die Säuglingsernährung nahtlos in die „Optimierte Mischkost“ für Kinder und Jugendliche von 1-18 Jahren über. Die empfohlenen Milchmengen für die verschiedenen Altersgruppen zeigt Grafik 3.

Wie viele Menschen in Deutschland vertragen keine Milch?

 Milch ist in der Regel ein sehr bekömmliches Lebensmittel. Es gibt jedoch Menschen, die Milch nicht vertragen können. Grund dafür kann zum einen das Milcheiweiß sein, auf das allergisch reagiert wird – hier spricht man von einer Milcheiweiß-Allergie. Zum anderen kann der Milchzucker Probleme verursachen – dann liegt eine Milchzucker-Unverträglichkeit (Laktoseintoleranz) vor. Ursache, Symptome und Therapie sind in beiden Fällen unterschiedlich (siehe auch Tabelle 1).

Die Kuhmilcheiweiß-Allergie kommt am häufigsten bei Kindern vor, wo sie jedoch in den meisten Fällen bis zum Schulalter wieder verschwindet. Den Anteil der Erwachsenen, die auf Nahrungsmittel allergisch reagieren, schätzt man auf 3-4 % (bei Kindern sind es zwischen 4 und 7 %).

Unter einer Milchzucker-Unverträglichkeit leiden in Deutschland schätzungsweise 15 % der Bevölkerung. Bei den Betroffenen wird der Milchzucker aufgrund eines Mangels bzw. Fehlens des Enzyms Laktase gar nicht oder nur in kleinen Mengen gespalten und kann deshalb nicht vom Körper aufgenommen werden. Beide Formen treten in sehr unterschiedlicher Ausprägung auf. Ob ganz auf Milch und Milchprodukte verzichten werden muss oder nicht, ist immer individuell von einem Arzt abzuklären. Hilfe und viele Informationen bietet der Deutsche Allergie- und Asthmabund (DAAB)4.

Unterschiede zwischen Kuhmilcheiweiß-Allergie und Milchzucker-Unverträglichkeit

Kann Milch krank machen?

 Bislang liegen keine wissenschaftlichen Studien vor, die einen Zusammenhang zwischen Milchkonsum und Erkrankungen sicher belegen oder ausschließen können. Neben genetischen, hormonellen und ernährungsbedingten Faktoren beeinflussen Lebensstil und Umwelteinflüsse die Entstehung vieler Erkrankungen entscheidend mit. Zum Beispiel ist hinsichtlich des Zusammenhangs von Milchkonsum und Krebsrisiko bislang nur wissenschaftlich belegt, dass bei einem dauerhaft doppelt so hohen täglichen Milchkonsum das Risiko für Prostatakrebs erhöht ist. Hingegen wirkt sich der Konsum von Milch positiv in Bezug auf Dickdarmkrebs aus. Aktuelle Informationen zum Thema Krebserkrankungen gibt es beim Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ)5.

Ist Biomilch gesünder als konventionell erzeugte Milch?

Für ökologisch erzeugte Milch gibt es besondere Regelungen in Bezug auf Auslaufflächen für Kühe, Platz im Stall, Herkunft der Futtermittel und Einsatz von Medikamenten. Mit Ausnahme eines etwas höheren Gehalts an Omega-3-Fettsäuren, die als gesundheitsförderlich gelten, gibt es hinsichtlich des Nährstoffprofils keine wesentlichen Unterschiede zwischen konventionell und ökologisch erzeugter Milch.

Fazit: In keiner Wissenschaft, erst recht nicht in der Ernährungswissenschaft, gibt es absolute Wahrheiten. Es ist nie ein „Schwarz-Weiß“, sondern es sind immer abgestufte „Grautöne“, die abhängig sind vom Individuum, von Einflüssen aus der Umwelt und auch vom aktuellen Forschungsstand. In diesem Sinne ist nach heutigem Kenntnisstand Milch im Rahmen der von der DGE empfohlenen Verzehrmengen für den überwiegenden Teil der deutschen Bevölkerung positiv für die Gesundheit zu bewerten.

1) Die Deutschen Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE) ist eine unabhängige wissenschaftliche deutsche Fachgesellschaft, die zu ernährungsrelevanten Fragen Empfehlungen, Leitlinien und Stellungnahmen anhand wissenschaftlicher Forschung herausgibt.

2) Das Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel ist eine Bundesoberbehörde der Bundesrepublik Deutschland im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Der Forschungsschwerpunkt liegt im gesundheitlichen Verbraucherschutz im Ernährungsbereich.

3) Das Forschungsdepartment Kinderernährung (FKE) gehört seit Anfang 2017 zur Universitätskinderklinik Bochum und führt die anwendungsorientierten Forschungsschwerpunkte des ehemaligen Forschungsinstituts für Kinderernährung Dortmund (FKE) zu Ernährung und Prävention bei gesunden Kindern fort. Neu hinzugekommen ist die Verbindung der Forschungsansätze mit der pädiatrischen Ernährungsmedizin und der Versorgung von kranken Kindern in Klinik und Praxis.

4) Der Deutsche Allergie- und Asthmabund ist seit 1897 als unabhängiger Patienten- und Verbraucherschutzverband für Menschen mit Allergien, Asthma, Haut- und Ernährungsproblemen tätig.

5) Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) widmet sich als größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland und Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft deutscher Forschungszentren laut seiner Satzung ganz der Aufgabe, Krebsforschung zu betreiben.