19. September 2018

© Fodjan GmbH

„Kraftfutter“ ist ein Sammelbegriff für nährstoffreiche Futtermittel. Ihr Einsatz gilt beispielsweise auf Milchviehbetrieben für die bedarfsgerechte Tierernährung als unverzichtbar, wird aber von manchen Seiten auch deutlich kritisiert. DIALOG MILCH will zeigen, was „Kraftfutter“ überhaupt ist – und was für oder gegen Kraftfutter spricht.

Einen ersten Einblick in den Umgang mit Futter auf einen Praxisbetrieb gibt es hier:

Im sogenannten Kraftfutter sind von den Kühen benötigte Nährstoffe und Energie in höherer Konzentration enthalten als beispielsweise in Grundfuttermitteln wie Gras-und Maissilage oder Heu. Allerdings sind für eine ausgewogene Ration von Wiederkäuern beide Komponenten erforderlich – also sowohl strukturreiches Futter wie Silagen und Heu als auch nährstoff- und energiereiche Futtermittel wie Kraftfutter. Zu Letzterem zählen beispielsweise gequetschte oder geschrotete Körner von Getreide, Mais oder Schmetterlingsblütlern wie Erbse und Ackerbohne, hochwertige Nebenprodukte z. B. aus der Nahrungsproduktion oder spezielle Produkte aus der Futtermittelwirtschaft, die mit unterschiedlichen Bestandteilen darauf abzielen, einzelne Tierarten, Alters- oder Leistungsgruppen bedarfsgerecht zu versorgen.

Die grundsätzliche Frage lautet aber: Muss Kraftfutter sein, oder geht es auch ohne? DIALOG MILCH will deshalb noch tiefer in das Thema einsteigen und hat dazu mit der Fodjan GmbH, einem Unternehmen der Futtermittelbranche, und mit den zwei Tierärzten Dr. med. vet. Andreas Striezel sowie Dr. med. vet. Joachim Lübbo Kleen gesprochen.

Dr. med. vet. Andreas Striezel
Die Tierischen – Zentrum für Tiergesundheit, Bräuningshof

Geringer Kraftfuttereinsatz – und dabei gesund!

Angesichts schwankender Milchpreise ist eine höhere Effizienz in der Milchviehhaltung gefordert. Reduzierung der Futterkosten ist eine wichtige Stellschraube zur Erhöhung des wirtschaftlichen Erfolgs. Für das Ziel einer kostengünstigen artgerechten Milchviehhaltung mit langlebigen Kühen vorwiegend auf Basis von Grünfutter und Grünfutterkonserven muss die Grundfutterqualität verbessert werden. Energiegehalte von gutem Gras können im Bereich von Maissilage liegen. Jährliche Milchleistungen von 4.500–5.500 kg Milch nur aus Grundfutter sind gut möglich, Topbetriebe schaffen bis zu 7.500 kg Milch ohne Kraftfutter. Kurzrasenweide, Heutrocknung und Spitzensilagen sind die Basis für solche Leistungen. Bei dieser Grundfutterleistung kann Kraftfutter, v. a. Eiweiß, eingespart werden. Spezialisierte Weidebetriebe mit saisonaler Abkalbung im Winter verzichten in Monaten mit geringerer Milchleistung vollständig auf Kraftfutter.

Neben der hohen Grundfutterqualität und optimierter Futteraufnahme muss auch die Genetik der Kühe passen. Kühe mit flacherer Laktationskurve [Anm. d. Red.: Verlauf der täglichen Milchmenge] geraten nach der Abkalbung weniger in ein Energiedefizit. Diese Tiere brauchen weniger Kraftfutter.

Untersuchungen in der Schweiz haben ohne Kraftfutter einen Rückgang der Milchleistung zwischen 6 und 15 Prozent ermittelt. Dabei blieben die Kühe gesund, hatten eine bessere Eutergesundheit und Körperkondition. Nur 10 Prozent der Tiere kamen mit den Kraftfuttereinschränkungen nicht zurecht.

Gute Milchleistung aus Grundfutter ist möglich. Durch hohe Grundfutteraufnahme und -verwertung sind Einsparungen bei den Futterkosten möglich. Bei überdurchschnittlicher Grundfutterleistung können Kühe gesünder und langlebiger werden. Damit sind gleich gute oder höhere Gewinne möglich.

Links zum Nachlesen:

https://www.naturland.de/images/Erzeuger/Fachthemen/Fachveranstaltungen/Tierhaltung/2016_Milchviehtagung_Sueddeutschland/Kurzfassung_Bericht_KF_frei.pdf

https://www.fibl.org/fileadmin/documents/de/news/2012/mm-feed-no-food120425/mm-feed-no-food-hintergrund120425.pdf

https://www.lfl.bayern.de/iba/tier/030793/index.php

Dr. agr. Sandra Ahnert
fodjan GmbH, Dresden

Nutzen und Vorzüge von Kraftfutter

In der Milchviehfütterung wird unterschieden zwischen Grund-, Saft- und Kraftfutter. Grundfutter wird vorrangig auf dem eigenen Betrieb erzeugt. Dazu zählen Weide, Gras, Heu, Stroh und Silagen. Diese Futtermittel sichern dem Rind genügend Struktur im Futter und damit eine ausreichende Wiederkautätigkeit. Der Großteil des Energie- und Proteinbedarfs wird aus dem Grundfutter gedeckt.

Eine Zwischenstellung nehmen die Saftfutter ein, welche im Energiegehalt zwischen den beiden anderen Kategorien einzuordnen sind. Hierzu zählen Kartoffeln, Möhren, Biertreber, Pressschnitzel und Getreideschlempen. Biertreber und Getreideschlempen sind hochwertige Rückstände aus der Bier- bzw. Alkoholproduktion. Pressschnitzel sind ein Einzelfuttermittel aus entzuckerten, abgepressten Zuckerrübenschnitzeln.

Kraftfutter hingegen gibt, wie der Name schon andeutet, Kraft und Leistung, ist also energetisch höher konzentriert. Dazu gehören etwa Pflanzensamen von Getreide, Mais, Erbse oder Ackerbohne, welche in der Regel gequetscht, geschrotet oder gemahlen verfüttert werden. Des Weiteren spielen Nebenprodukte aus der Nahrungsmittel-, Genussmittel- und Bioethanolproduktion wie Melasse, Soja-, Sonnenblumen- und Rapsextraktionsschrot eine große Rolle, da diese überwiegend nur vom Wiederkäuer verwertet werden können. Zum Kraftfutter zählen auch Mischfuttermittel, die aus mehreren Komponenten zusammengesetzt sind und von der Futtermittelindustrie hergestellt werden. Solche Milchleistungsfutter gibt es u. a. in Pellet-Form; sie können individuell auf den Betrieb abgestimmt werden.

Das Futter und die Fütterung bestimmen den wirtschaftlichen Erfolg in der Milchviehhaltung. Die Ergänzung des wirtschaftseignen Futters durch Kraftfuttermittel ist sowohl von Seiten der Tierernährung als auch wirtschaftlich von großer Bedeutung. Kraftfutter ist jedoch eine teure Futterkomponente; umso mehr kommt es auf die Zusammensetzung an, um das maximal mögliche Leistungsergebnis bei Kühen zu erreichen. Zum Beispiel wird mehr Energie erzeugt, wenn die im Futter enthaltene Stärke erst im Dünndarm der Kuh abgebaut wird.

Erhalten milchgebende Kühe kein Kraftfutter, ist deren Ernährung unausgewogen, beispielsweise fehlen Energie und Proteine. Die Folge daraus sind häufig Erkrankungen und ein Milchleistungsrückgang – beides führt zu wirtschaftlichen Problemen.

Allerdings kann der Anteil des Kraftfutters in der Ration nicht unbegrenzt gesteigert werden, um die Leistung der Kühe zu erhöhen. Grund dafür ist, dass Kraftfutter der Hauptlieferant von Zucker und Stärke ist. Bekommt die Kuh davon zu viel, wird der Pansen übersäuert (Azidose) und die Kuh erkrankt oder stirbt.

Nur wenn das Verhältnis von Grundfutter (ausreichend Strukturversorgung) zu Kraftfutter stimmt, wird die Kuh gesund ernährt und gibt ausreichend Milch.

Somit ist das Kraftfutter, in einem angemessenen Anteil in der Ration, Voraussetzung für die Tiergesundheit und die Milchleistung, d. h. für die Wirtschaftlichkeit des Betriebs – falsch angewendet birgt es jedoch auch Risiken für das Tierwohl. Die Fütterung entscheidet also maßgeblich über Tiergesundheit und Arztkosten, Milchleistung und schließlich die Wirtschaftlichkeit des Betriebs.

Dr. med. vet. Joachim Lübbo Kleen
Fachtierarzt für Rinder, CowConsult, Coldinne

Alles in Maßen …

Der Einsatz von Kraftfutter in der Milchkuhhaltung ist aus tierärztlicher Sicht nichts Ungewöhnliches: Genau wie Kühe sind z. B. auch Rehe Wiederkäuer und fressen im Sommer in den Getreidefeldern viel „Kraftfutter“, denn so bekommen sie schnell viel wertvolle Energie. Die Fütterung von Kühen mit Getreide oder anderen Kraftfuttern ist daher etwas völlig Normales und sinnvoll. Außerdem verbraucht die Milchproduktion viel Energie, die Kuh benötigt das energiereiche Kraftfutter also. Auf Kraftfuttergaben zu verzichten wäre deshalb weder natürlich noch der Kuh angemessen.

Allerdings gilt dabei – für die menschliche Ernährung genauso wie für Kühe – die Regel „alles in Maßen“. Wenn Kühe übermäßig viel Kraftfutter fressen, bringt dies ihren komplizierten Verdauungsvorgang durcheinander und kann die Tiere krank machen. Auf den modernen Milchviehbetrieben unserer Zeit wird das aber durch eine genaue Fütterungskontrolle verhindert. Außerdem beobachten Landwirt, Tierarzt und Fütterungsberater zusammen die Kühe ständig – und sollten sie erste Anzeichen einer unausgewogenen Fütterung erkennen, dann wird die Futterration entsprechend angepasst, bevor es zu Schäden für das Tier kommt.

Dabei sollte aber auch das andere Extrem, eine Versorgungslücke, vermieden werden. Gerade dann, wenn eine Kuh viel Milch gibt, dann braucht sie mehr Energie und daher auch mehr Kraftfutter. Ein moderner Betrieb wird die Kuh auf diese Situation so vorbereiten, dass der Energiemangel einerseits im Rahmen bleibt, andererseits aber auch das Mehr an Kraftfutter gut verdaut werden kann. Wird aber, aus welchen Gründen auch immer, auf Kraftfutter verzichtet, dann trägt entweder die Kuh oder der Landwirt den Schaden davon – entweder, weil die Kuh nicht das bekommt, was sie braucht, oder weil sie für den Landwirt nicht die Leistung erbringt, die sie erbringen könnte.