17. September 2020


Umstellung auf Bio:
Aus wirtschaftlichen Überlegungen und in der Hoffnung auf mehr gesellschaftliche Akzeptanz

Eckhard Budde hat seinen Milchviehbetrieb im oberbergischen Gummersbach im Jahr 2016 auf die Erzeugung nach Bioland-Richtlinien umgestellt. So wurde eine betriebliche Entwicklung möglich, die es sonst an diesem Standort nicht (mehr) gegeben hätte. Dabei schwang auch die Hoffnung mit, mehr Akzeptanz bei Nachbarn und Verbrauchern zu erreichen. DIALOG MILCH hat den staatlich geprüften Landwirt besucht und zu Gründen wie Ergebnissen der Umstellung befragt.

Auf dem elterlichen Betrieb mit 5,6 Hektar Ackerland und 91 Hektar Grünland ist Eckhard Budde schon von Kindesbeinen an in die Land- und Milchwirtschaft hineingewachsen. Bereits vor der Umstellung auf Bio im Jahr 2016 hat er das Grünland extensiv, das heißt entsprechend den Vorgaben zur extensiven Grünlandnutzung des Landes NRW, bewirtschaftet. Die Umstellung selbst war gut durchdacht und konnte so sehr schnell vollzogen werden. Auf den Ackerflächen erzeugt Budde heute Kleegras-Silage als hochwertiges Futter für die 78 Milchkühe, während das Grünland weiterhin als Weidefläche sowie für die Heuproduktion und die Erzeugung von Grassilage genutzt wird.

Umstellung „in Rekordzeit“ …
„Zu der extensiven Bewirtschaftung des Betriebs haben wir uns schon vor geraumer Zeit entschieden, weil unsere Flächen nicht flurbereinigt sind, sondern als kleine Parzellen verteilt liegen. Darüber hinaus bringt die Lage am Hang oft ein mehr oder minder starkes Gefälle mit sich“, berichtet der staatlich geprüfte Landwirt. Als wichtigste Veränderung für die Umstellung auf Bio seien deshalb Umbauten in den Stallungen erforderlich gewesen. „Im Milchviehstall haben wir beispielsweise deutlich mehr Tierwohl geschaffen. Während sich früher drei Kühe einen Fressplatz geteilt, d. h. abwechselnd genutzt haben, haben wir heute ein Fress-Liegeplatzverhältnis von 1:1; jede Kuh findet so zu jeder Zeit einen Fressplatz. Und: Der umgestaltete Stall für die rund 50 Jungtiere ermöglicht den direkten Zugang zur Weide. Bis zum Alter von etwa einem halben Jahr können sie zu jeder Zeit ins Freie – und auch das war mir ein besonderes Anliegen“, so Budde. Da im Wesentlichen nur die Stallumbauten erledigt werden mussten, sei die komplette Betriebsumstellung und Anerkennung in wenig mehr als einem halben Jahr möglich ge

wesen. Wenn die Gegebenheiten nicht von vornherein so gut passen, könne eine Umstellung nämlich gut und gerne auch 2 Jahre dauern.

… und doch wohl überlegt!

Doch was hat eigentlich dazu geführt, dass eine Umstellung auf Bio in Betracht gezogen wurde? Die Lage der Hofstelle im Ort habe keinerlei betriebliches Wachstum mehr erlaubt. Da 2016 sowieso bauliche Veränderungen in den Ställen anstanden, sei die Umstellung ein naheliegender Schritt gewesen. „Das war eine rein sachliche und betriebswirtschaftliche Entscheidung“, erklärt der Landwirt, der sich davon im direkten Umfeld allerdings auch eine positive Imagewerbung erhofft hat.

Da seine bisherige Molkerei Friesland Campina kein eigenes Biosegment hat, wechselte Budde zu der im nordhessischen Usseln ansässigen Upländer Bauernmolkerei, in der seit 2009 ausschließlich Biomilch verarbeitet wird. „Während das Tierwohl hier auf dem Betrieb in meinen Augen erkennbar gewonnen hat, begegnet mir nicht wirklich mehr Akzeptanz. Auch eine spürbar größere Nachfrage sehe ich leider noch nicht. Da gibt es zu viele Lippenbekenntnisse und vollmundige Willenserklärungen, die sich beim Kauf der Produkte im Supermarkt leider oft und schnell als Seifenblasen entpuppen“, fasst Eckhard Budde seinen Eindruck zusammen, wie Nachbarn und Gesellschaft insgesamt mit dem Thema ‘Betriebsumstellung auf Bio‘ umgehen.

Trockenjahre machen das Leben schwer
Eckhard Budde ist mit der Entscheidung zur Umstellung und mit dem Betriebsergebnis dennoch zufrieden. In normalen Jahren, so berichtet er, sei die Milchleistung im Vergleich zu der schon früher extensiven Bewirtschaftung in etwa gleich geblieben, der Erlös pro Liter sei für ihn aber deutlich besser. „Das lässt sich allerdings nicht verallgemeinern“, sagt er und ergänzt: „Wir halten natürlich weniger Tiere als früher, und wenn das Bio-Gras in Trockenjahren auf unseren Flächen langsamer und schlechter wächst, dann ist der wirtschaftliche Vorteil zu den Jahren davor schnell aufgezehrt: Zukauffutter in Bioqualität ist dann kaum zu bekommen und sehr teuer.“ Budde ist überzeugt: „Wenn wir mehr normale als Trockenjahre bekommen, habe ich alles richtig gemacht. Sollten aber die Trockenjahre überwiegen, lässt sich die Bio-Erzeugung auf unserem Betrieb nicht dauerhaft durchhalten.“

Wünsche an Politik und Gesellschaft
„Wenn Gesellschaft und Politik wirklich für Bio sind, dann müssen der Milchpreis und die Prämien mindestens so hoch bleiben, wie sie derzeit sind. Ebenso wichtig ist, dass die gesetzlichen Vorgaben – für konventionelle Kollegen wie für Biolandwirte – mit mehr Augenmaß entwickelt und umgesetzt werden. Insbesondere im Biobereich gibt es schon sehr viele und sehr strikte Vorgaben, und da setzen dann die Verbände und/oder die Molkereien zum Teil noch weitere Regeln und Vorgaben obendrauf. Das aber bringt uns nur noch mehr Bürokratie und noch mehr unnötigen Aufwand“, so Budde. Reden und Handeln müssten einfach mehr im Einklang stehen, und das gelte für Politik und Verbraucher gleichermaßen.

Das Fazit zu der Umstellung und der Entwicklung des Betriebs ist und bleibt dennoch positiv: „Es beflügelt mich immer wieder, mich mit der Umstellung und dem Betriebsmanagement zu befassen, alles zu überdenken und zu hinterfragen. Für mich ist es sehr wichtig, über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen. All das empfinde ich als außerordentlich inspirierend“, berichtet Eckhard Budde, bevor er sich verabschiedet und wieder um die Kühe kümmert, die gerade den Umgang mit dem neuen Melkroboter lernen.

Nachgefragt:

Eckhard Budde

DIALOG MILCH: Herr Budde, was empfehlen Sie anderen Landwirten, wenn die Sie vor einer angedachten Umstellung auf Bio um Rat fragen?
Eckhard Budde: Aus meiner Sicht ist die wichtigste Voraussetzung neben der zwingend erforderlichen Offenheit für neue Wege, dass die zukünftigen Absatzwege und -bedingungen vor der Umstellung eindeutig geklärt sind. Wichtig ist auch, dass die Pachtpreise noch relativ günstig sind. Bei den Preisen, die etwa am Niederrhein für Pachtland aufgerufen werden, kann ich mir eine Extensivierung und nachfolgende Umstellung auf Bio kaum vorstellen. Insgesamt muss die Umstellung in das Gesamtkonzept des Betriebs passen. Eine ökologische Bewirtschaftung ist mit mehr Vorschriften und mehr Aufwand verbunden, und leider haben wir Biolandwirte mit noch mehr Bürokratie zu kämpfen als unsere konventionellen Kollegen.

DIALOG MILCH: Wie sehen Sie die Situation der Landwirtschaft im Moment generell?
Eckhard Budde: Die Situation ist sehr schwierig. Dazu haben nicht nur zwei Trockenjahre in Folge und die überbordende Bürokratie beigetragen. Problematisch ist insbesondere, dass viele Vorgaben, mit denen wir Landwirte leben müssen, oberflächlich sind. Sie werden so gemacht, dass sie eine gute Außenwirkung haben, aber nicht nach sachlichen Zusammenhängen wie beispielsweise der guten fachlichen Praxis. Sehr problematisch ist auch die inzwischen viel zu große Macht des Lebensmitteleinzelhandels am Markt – ein Thema, bei dem es derzeit seitens der Politik wohl leider keinen Änderungswillen gibt.

DIALOG MILCH: Mit Blick auf die Zukunft: Wird Ihr Betrieb von Ihrer Tochter in der nächsten Generation als Biobetrieb weitergeführt?
Eckhard Budde: Diese Perspektive sehe ich für unseren Betrieb leider nicht. Wir haben hier an unserer Hofstelle keinerlei weitere Entwicklungsmöglichkeiten. Die Umstellung war für mich seinerzeit der einzige Weg, den Milchviehbetrieb während meiner aktiven Berufszeit überhaupt noch weiterzuführen. In Anbetracht der Ortslage, der politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen sowie der wachsenden Unsicherheit, wie oft wir zukünftig mit extremen Trockenjahren zu kämpfen haben, könnte ich unserer Tochter ruhigen Gewissens nicht empfehlen, diesen Betrieb zu übernehmen. Zum Ende meiner aktiven Zeit wird wohl auch unser Hof zu den vielen Betrieben gehören, die schon aufgegeben haben oder demnächst aufgeben werden. Die Gesellschaft ruft zwar nach dem bäuerlichen Familienbetrieb, gibt ihm im Alltag aber kaum eine Chance.

DIALOG MILCH: Herr Budde, vielen Dank für Ihre klaren Worte.