21. Oktober 2020

Betrieb in Stadtnähe – dem Verbraucher zu nah?

Gerichtsverfahren wegen Kuhglocken, krähenden Hähnen und Stallneubauten; oder Menschen, die sich auf Wirtschaftswegen, Wiesen, Weiden und Feldern rücksichtslos verhalten, nicht angeleinte Hunde und deren Hinterlassenschaften in Futterflächen – das „Miteinander von Stadt und Land“ funktioniert nicht immer reibungslos. DIALOG MILCH hat einen Landwirt in Stadtnähe nach seinen Erfahrungen gefragt.

Mitten in der Natur und doch nur zwei Kilometer Luftlinie von Wuppertal-Langerfeld entfernt: Der Milchviehbetrieb von Familie Dahlmann liegt sehr idyllisch im Wohnquartier Ehrenberg auf der gleichnamigen Erhebung im Rheinischen Schiefergebirge.

Martin Dahlmann

Auf den ersten Blick deutet nichts darauf hin, dass das quirlige Treiben der Städte Wuppertal und Remscheid mit ihren insgesamt mehr als 450.000 Einwohnern quasi um die Ecke liegt. Das zeigt sich allerdings schnell an Wochenenden und Feiertagen: In das beliebte Naherholungs- und Wandergebiet – und damit auch auf die Wirtschaftswege rund um den Betrieb – kommen bei schönem Wetter regelmäßig viele Menschen, berichtet Betriebsleiter Martin Dahlmann. Martin und Loreta Dahlmann bewirtschaften ihren Milchviehbetrieb seit 1989.

Kuhfladen sind nicht das Problem

Mit eigener Käserei, einem Hofladen und der Beschickung von Wochenmärkten hat sich Familie Dahlmann ein breites Standbein aufgebaut und zugleich viele treue Kunden in der Region gewonnen.

Loreta Dahlmann

Die 60 Milchkühe des Betriebs verbringen von Frühjahr bis Herbst jeden Tag mindestens sechs Stunden auf der Weide. Aus dem Stall und zurück geht es – je nach der aktuell genutzten Fläche – morgens und abends zum Teil einige Hundert Meter über öffentliche Straßen und Wege im Umfeld des Betriebs. Was anderenorts schon mal zu Problemen mit Nachbarn führen kann, klappt hier in Ehrenberg reibungslos.
Das Verhältnis zu den Nachbarn sei nämlich durchweg gut, berichtet Martin Dahlmann, nennt aber gleich auch eine wichtige Voraussetzung: „Wenn wir auf dem Treibweg eine Haus- oder Garagenwand passieren, sollten wir schon sicherstellen, dass diese nicht verschmutzt wird. Mit ein bisschen Fingerspitzengefühl lässt sich unnötiger Ärger in den meisten Fällen ganz einfach vermeiden. Dazu gehört natürlich auch, dass ich selbst zum Besen greife und Kuhfladen vor den Hofeinfahrten unserer Nachbarn beseitige.“
Verständnis braucht manchmal wohl auch nur eine klare Botschaft, berichtet der Landwirt mit verschmitztem Lächeln: „Ein Spaziergänger hat sich einmal beschwert, dass er auf unserem Treibweg schmutzige Schuhe bekäme. Ich habe ihm einen Besen angeboten und gesagt, er könne gerne fegen. Wenn er aber das Ordnungsamt anrufen wolle, sei er nachher auch dafür verantwortlich, wenn die Tiere zukünftig im Stall bleiben müssten. Das hat ihn sehr nachdenklich gemacht und die Situation entspannt“, so Martin Dahlmann.

Der Betrieb liegt mit 15 anderen Häusern im Wohnquartier Ehrenberg auf dem Plateau der gleichnamigen Erhebung im Rheinischen Schiefergebirge.

Im Vorfeld Ärger vermeiden!

Bei einer Sache ist der Landwirt kompromisslos: Er erlaubt es generell nicht, etwa Drachen oder Drohnen von seinen Flächen steigen zu lassen oder die Flächen für anderweitige Freizeitvergnügen zu nutzen. „Hier gilt ganz klar: Man darf nicht wegsehen, man darf nicht nichts tun. Sobald ich das einmal zulasse – gerade auch, wenn Leute höflich gefragt haben – dann fragt der Nächste nicht mehr, sondern macht es einfach. ‘Man habe ja auch die anderen gesehen, die auf den Flächen ihren Spaß hatten‘, lautet dann die Begründung. Da schiebe ich konsequent einen Riegel vor – und wenn ich die Ablehnung freundlich begründe, haben die meisten Leute auch Verständnis dafür.“

Für die Nutzung der Wirtschaftswege hat Martin Dahlmann ebenfalls eine Strategie, die sich mit dem Slogan „Rücksicht macht die Wege breit“ zusammenfassen lässt. „Es gibt immer Jogger mit Musik im Ohr, die nichts hören. Es gibt Rad- oder Autofahrer, die meinen, der Traktor sei doch geländegängig und könne gut Platz machen. In aller Regel merke ich aber, dass die Menschen es honorieren, wenn ich langsamer werde und versuche, etwas an Seite zu fahren – und nicht selten tun das die Radfahrer und Spaziergänger auch für mich“, freut sich Dahlmann.

An warmen Tagen suchen die Tiere einen schattigen Platz auf der Weide, ziehen sich manchmal aber auch freiwillig in den Stall zurück.

Sicher ist sicher

Wenn sich mit Passanten oder Kunden im Hofladen ein Gespräch ergibt, nimmt sich der Landwirt wenn möglich gerne Zeit dafür. „Wir tun, was wir können. Wir sind seit 25 Jahren Marktbeschicker, ich bin seit 12 Jahren Kreisvorsitzender der Kreisbauernschaft Mettmann, zwei- bis dreimal pro Jahr haben wir die Presse auf dem Hof – all das sind Gelegenheit, über Landwirtschaft zu informieren und etwas für das Image zu tun. Gerade, wenn ich auf Feldwegen einmal etwas unfreundlicher angegangen werde, versuche ich, schnell eine sachliche Ebene zu erreichen und eine Eskalation zu vermeiden. Das Schöne ist: In aller Regel klappt das auch!“

Freundliche Worte holen die „Kuh vom Eis“

Martin Dahlmann hat rund um seinen Betrieb schon viele Gespräche mit Joggern, Radfahrern oder Spaziergängern geführt. Es gebe einige wenige Zeitgenossen, bei denen alles Diskutieren zwecklos sei. Da müsse man eben auf das Gespräch verzichten, so Martin Dahlmann abschließend. Das Fazit ist insgesamt aber eindeutig: „Die weitaus meisten Menschen, die mich ansprechen, oder die ich auf ihr Verhalten anspreche, zeigen sehr schnell Einsicht. Das ist für mich die beste Bestätigung, dass ich das Richtige tue. Ein paar freundliche Worte, eine nachvollziehbare Erklärung, damit hat man die Kuh meist schnell vom Eis.“

Die 60 Milchkühe der Rassen Schwarzbunte und Jersey sind an mehr als 120 Tagen pro Jahr jeweils über sechs Stunden auf der Weide.