17. Januar 2023

Borchert-Kommission: Umbau der Nutztierhaltung in Deutschland

Im Jahr 2019 wurde vom Bundeslandwirtschaftsministerium das Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung eingerichtet. Es wird nach seinem Vorsitzenden, dem früheren Bundeslandwirtschaftsminister Jochen Borchert, auch „Borchert-Kommission“ genannt[1]. Dieses Expertengremium hat Empfehlungen zum Umbau der landwirtschaftlichen Tierhaltung erarbeitet, die am 19. April 2022 veröffentlicht wurden.

Hintergrund

Das von der damaligen Bundesministerin für Landwirtschaft und Ernährung, Julia Klöckner, eingerichtete Kompetenznetzwerk hatte den Auftrag, aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen in allen Bereichen der Nutztierhaltung zu analysieren. Auf dieser Basis sollten Lösungswege für den Umbau der Nutztierhaltung in Deutschland erarbeitet werden, die mehr Tierwohl, mehr Umweltschutz und mehr Wirtschaftlichkeit für die Bauern ermöglichen. Zudem sollten Ansätze für die Verbesserung der gesellschaftlichen Akzeptanz der Nutztierhaltung in Deutschland aufgezeigt und mögliche Finanzierungsmodelle durchdacht werden.[1]

Empfehlungen des Kompetenznetzwerks Nutztierhaltung[1]

Die Empfehlungen, die von dem Kompetenznetzwerk erarbeitet wurden, spannen einen weiten Bogen. Sie reichen von einer Öffnung des Bau- und Genehmigungsrechts für Ställe, die ein hohes Niveau an Tierwohl ermöglichen, über gesetzliche Mindeststandards oberhalb des EU-Niveaus und insbesondere oberhalb des Niveaus in den wichtigsten EU-Wettbewerbsländern bis hin zur Einführung staatlicher Tierwohlprämien, die den Wettbewerbsnachteil höherer Standards und damit verbundene höhere Kosten ausgleichen sollen.

Finanzierung: Die von der Bundesregierung aktuell vorgesehene 1 Milliarde Euro für die kommenden vier Jahre zur Honorierung von Tierwohlmaßnahmen wird begrüßt, aber von den Experten als zu gering eingeschätzt. Überdies lautet die Empfehlung, die laufenden Kosten tiergerechter Haltungsverfahren nicht nur in der Schweinehaltung, sondern in allen Haltungsformen zu einem hohen Anteil durch staatliche Zahlungen auszugleichen. Auch müsste die „Gesamtarchitektur“ der Tierwohlstrategie enger mit der Initiative Tierwohl[1] des Lebensmitteleinzelhandels (LEH) abgestimmt werden. Die Mittel für den Umbau der Nutztierhaltung sollten vorrangig als laufende jährliche Zahlungen gewährt werden. Das würde es ermöglichen, diese auch an Tierwohlindikatoren zu koppeln und so den auf den Betrieben jeweils erreichten Status stärker zu berücksichtigen. Schließlich sollte die Förderung den unterschiedlichen Strukturen der Nutztierhaltung in den Bundesländern Rechnung tragen und grundsätzlich allen Betriebsformen offenstehen.

Als mögliche Finanzierungsinstrumente schlägt das Kompetenznetzwerk eine Rücknahme des ermäßigten Umsatzsteuersatzes auf tierische Produkte oder die Einführung einer mengenbezogenen staatlichen Tierwohlabgabe mit einer sozialpolitischen Flankierung vor. Letztere könnte für Haushalte mit niedrigen Einkommen durch eine Anhebung der Sätze des neuen Bürgergelds, durch eine Absenkung der Einkommensteuer oder pauschale Transfers erfolgen.

Haltungskennzeichnung: Die Einführung einer verpflichtenden staatlichen Haltungskennzeichnung wird begrüßt. Das Kompetenznetzwerk empfiehlt, diese so zu gestalten, dass bisher erreichte Fortschritte mit der Haltungsformkennzeichnung des LEH in den Stufen 1 (gesetzlicher Standard) bis 4 (Premium)[1] nicht zunichte gemacht werden. Allerdings sollte eine Stufe „Stall plus“ oberhalb des gesetzlichen Mindeststandards ausgewiesen werden, die mit mehr Platz und mehr Beschäftigungsmaterial deutliche Verbesserungen in bestehenden Stallsystemen sichtbar macht. Die höchste Haltungsstufe („Premium“ o. ä.) sollte nach Ansicht des Kompetenznetzwerks an den Kriterien des ökologischen Landbaus ausgerichtet werden, dabei aber für ökologische wie konventionelle Betriebe offen sein

Fazit: Die Borchert-Kommission kommt zu dem Schluss: „Sollte die Bundesregierung einen Beschluss über eine staatliche Finanzierung des Umbaus der Nutztierhaltung auch in der laufenden Legislaturperiode nicht herbeiführen [… würde …] ein flächendeckender Umbau der Nutztierhaltung (…) nicht erfolgen. Die (…) Tierwohlstrategie des Kompetenznetzwerkes (…) bietet die große Chance auf eine Nutztierhaltung, die gesellschaftlich eine deutlich breitere Akzeptanz als bisher erfährt und deren Wettbewerbsfähigkeit dennoch erhalten bleibt. (…) Die hierfür erforderlichen rechtlichen und förderpolitischen Rahmenbedingungen können nur durch die Politik geschaffen werden.“

Das BMEL erteilt der Borchert-Kommission Mandat zur Fortsetzung der Arbeit[1]

Die Borchert-Kommission soll den angestrebten Umbau der landwirtschaftlichen Tierhaltung auf Wunsch von Bundesminister Cem Özdemir auch weiterhin begleiten. Das entsprechende Mandat wurde erteilt und seitens der Kommission angenommen. Allerdings hat das Kompetenznetzwerk erklärt, die Arbeit zunächst ruhen zu lassen, da „eine Fortsetzung nur sinnvoll sei, wenn die Bundesregierung den Einstieg in eine langfristig vertraglich zugesicherte und staatlich finanzierte Tierwohlprämie beschließt.“[2]

Wie die Empfehlungen und die aktuelle Situation einzuschätzen sind und was ein solcher Umbau der Nutztierhaltung in Deutschland für Betriebe mit Milchkuhhaltung und für die Verbraucher bedeuten kann, erfahren Sie in einem weiteren Beitrag von DIALOG MILCH.