14. Oktober 2022

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Fünf Fragen an Ministerin Gorißen

DIALOG MILCH: Sehr geehrte Frau Ministerin Gorißen, Sie haben im Sommer Ihr Amt in einer Zeit angetreten, die für die Produzenten von Lebensmitteln, die Verbraucher und die Politik große Herausforderungen bereithält. Dazu haben wir einige Fragen:
Wie schätzen Sie die aktuelle Lage der Milchkuhhalter in NRW ein?

Ministerin Gorißen: Unsere Milchbäuerinnen und Milchbauern leisten einen wichtigen Beitrag zur Versorgung der Menschen mit wertvollen Lebensmitteln. Dabei sind sie genauso wie andere Bereiche der Landwirtschaft von den Folgen der Corona-Pandemie und des Kriegs in der Ukraine betroffen. Viele Verbraucherinnen und Verbraucher ändern ihr Kaufverhalten und nicht mehr alle Rohstoffe sind stets verfügbar. All das hat auch in der Milchwirtschaft zur Steigerung der Kosten geführt.

Allerdings hat die Milchbranche es geschafft, die Kostensteigerungen weitgehend zu kompensieren. Preiserhöhungen und unter anderem eine günstige Weltmarktlage haben dazu geführt, dass sich die Milchauszahlungspreise positiv entwickelt haben. In vielen Gesprächen mit Landwirten erhalte ich aber die Rückmeldung, dass viele mit unsicherem Gefühl in die Zukunft blicken. Als Landwirtschaftsministerin will ich mich daher einsetzen, den Milchbäuerinnen und Milchbauern besonders den Rücken zu stärken. Meine Tür und die meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Ministerium sind immer offen.

DIALOG MILCH: Welche unmittelbaren Entwicklungen erwarten Sie mit Blick auf die Milchkuhbestände in NRW, die Auszahlungspreise für die von den Betrieben erzeugte Milch und die laufenden Bestrebungen für mehr Tierwohl – und wie beurteilen Sie angesichts dieser Entwicklungen den Stellenwert und möglichen Grad der regionalen (Selbst-)Versorgung?

Ministerin Gorißen: Aktuell geht die Anzahl der Milchkuhbestände leicht zurück. Es wird sich noch zeigen, ob dies nur eine kurzfristige Reaktion auf die aktuelle Lage mit Corona und Krieg ist oder sich hier langfristiger Trend entwickelt, der auch mit berechtigten Anforderungen an Tierwohl und Klimaschutz zusammenhängt. Ich sehe auf jeden Fall die Fähigkeit unserer Milchviehhalter, mit Herausforderungen umgehen zu können. Die regionale Versorgung unserer Bevölkerung mit einem wertvollen Grundnahrungsmittel wie Milch ist immer ein Teil der Lösung und bietet Betrieben auch eine solide Einkommensmöglichkeit.

DIALOG MILCH: Welche Ziele werden Sie mit Blick auf Milcherzeuger und Verbraucher mit Ihrer Politik verfolgen?

Ministerin Gorißen: Nordrhein-Westfalen hat eine starke Landwirtschaft und hier spielt die Milcherzeugung eine tragende Rolle. Mit einem Produktionswert von knapp 1,2 Milliarden Euro ist Milch der zweitstärkste Erzeugnisbereich unser Landwirtschaft. Außerdem ist die Milchkuhhaltung auch wichtig für den Erhalt unserer Kulturlandschaften. Saftige Wiesen, auf denen Kühe grasen, machen die Attraktivität vieler ländlicher Räume für den Tourismus aus. Die Milchbäuerinnen und Milchbauern sind in Nordrhein-Westfalen also gleich in verschiedenen Funktionen systemrelevant. Die Milcherzeugung gilt es daher zu erhalten. Dafür braucht es verlässliche und langfristige Perspektiven für die Betriebe, die aber einhergehen müssen mit den Zielen des Tierwohls und Klimaschutzes. Für mich sind Ökologie und Ökonomie keine Gegensätze, sie ergänzen sich komplementär. Deswegen müssen wir weiterhin mit der Milchwirtschaft im engen Dialog bleiben.

DIALOG MILCH: Welche Konzepte entwickeln Sie gemeinsam mit der Lebensmittelwirtschaft, um die drängende Frage der Ernährungsvorsorge vor dem Hintergrund einer drohenden Gasmangelsituation zu beantworten?

Ministerin Gorißen: Seit dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine steht das Landwirtschaftsministerium regelmäßig mit der Lebensmittelwirtschaft in Kontakt, um sich ein aktuelles Lagebild zu verschaffen. Diesen Austausch führe auch ich seit meinem ersten Tag als Ministerin fort. Uns ist sehr gut bekannt, welche Folgen Gasmangel für unsere Betriebe hätte. Wir haben uns daher schon frühzeitig auf verschiedenen Ebenen, unter anderem bei der Bundesnetzagentur, dafür eingesetzt, dass die Betriebe der Lebensmittelkette in den Kreis der geschützten Kunden eingeordnet werden müssen, um die Gasversorgung sicherzustellen. Eine Branche wie die Milchwirtschaft ist wegen der hohen hygienischen Standards sehr energieintensiv. Deshalb ist die Milchwirtschaft auf eine kontinuierliche Gasversorgung angewiesen. Aus der Gaskrise darf keine Lebensmittelkrise werden.

DIALOG MILCH: Eine letzte Frage: Welche Ansätze werden Sie verfolgen, um die wachsende Entfremdung zwischen Milchbäuerinnen und -bauern auf der einen und den Verbrauchern auf der anderen Seite aufzuhalten und umzukehren?

Ministerin Gorißen: Unsere Milchviehbetriebe erbringen über die reine Lebensmittelversorgung hinaus viele wichtige Leistungen, die von der Bevölkerung nicht immer direkt mit der Haltung von Kühen in Verbindung gebracht werden, so zum Beispiel den Erhalt unserer Kulturlandschaft im Bergischen Land oder in der Eifel. Ich würde mir wünschen, dass diese Leistungen stärker in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden.

Ich setze mich auch dafür ein, dass zwischen Stadt und Land ein offener und ehrlicher Austausch stattfindet, um die Zusammenhänge vieler Lebensbereiche mit der Landwirtschaft klarer zu machen. Positiv sehe ich, dass in den letzten Jahren das Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher daran gewachsen ist, wie und wo Lebensmittel erzeugt werden. Über regionale und direkte Verkaufswege etwa für Milch, Kartoffeln oder auch Fleisch und Obst ergeben sich immer mehr Möglichkeiten, dass Verbraucher mit der Landwirtschaft in Kontakt kommen. Immer mehr Betriebe öffnen ihre Hoftore. Hier gilt es anzuknüpfen und diese Initiativen zur Stärkung der regionalen und ökologischen Landwirtschaft gilt es weiter auszubauen.

DIALOG MILCH: Frau Ministerin Gorißen, ganz herzlichen Dank für dieses Gespräch – und viel Erfolg bei der Umsetzung Ihrer Vorhaben!