6. September 2022

Immer weniger Kühe – immer größere Folgen …

Die jüngsten Zahlen sprechen für sich: Immer weniger Landwirtinnen und Landwirte halten Milchkühe. Auch die Zahl der Milchkühe selbst ist in den letzten vier Jahren nochmals deutlich gesunken. Das wirkt sich weit über die landwirtschaftlichen Betriebe hinaus aus.

Nach Angaben des Milchindustrie-Verbands e. V. ist in Deutschland der Milchkuhbestand von rund 4.182.000 Kühen im Jahr 2010 auf etwa 3.850.000 Tiere im Jahr 2021 zurückgegangen.1 Im gleichen Zeitraum sank die Zahl der Betriebe mit Milchkuhhaltung bundesweit von etwa 91.500 auf nur noch rund 55.800. Mit inzwischen weniger als 5.000 Betrieben und 387.862 Milchkühen ist auch in NRW ein starker Rückgang erkennbar. „Innerhalb von fünf Jahren verringerten sich die Milchkuhhaltungen um 14,6 Prozent (2018: 5694)“.2 Eine solche Entwicklung ist zweifellos für die betroffenen Betriebe dramatisch. Was die Aufgabe der Tierhaltung für ihn bedeutet hat, bringt Landwirt Markus Theunissen sehr anschaulich auf den Punkt (Link zu Video).

Folgen weit über die Landwirtschaft hinaus

Wenn landwirtschaftliche Betriebe die Tierhaltung oder sogar die Bewirtschaftung insgesamt aufgeben, dann hat dies auch für den ländlichen Raum und die dort lebenden Menschen weitreichende Folgen. Betriebsaufgabe bedeutet oft die Abwanderung der jüngeren Generation und eine zunehmende Überalterung der ländlichen Regionen.3 Im gleichen Maß werden dort Dienstleistungen, Einkaufsangebote, medizinische Versorgung etc. wegen des schrumpfenden Kundenpotenzials für die Anbieter immer uninteressanter. Dörfer, in denen inzwischen beinahe jegliche Infrastruktur fehlt, sind heute bundesweit keine Seltenheit.

In den „Schlafstädten“, den oft im Umfeld der großen Städte entstehenden Wohngebieten im ländlichen Raum, resultiert daraus noch ein weiteres Problem: Selbst am angestammten Betriebssitz „auf dem Land“ werden Landwirtinnen und Landwirte, die Tiere halten, zunehmend zu Exoten – denn gerade in stadtnahen Räumen ist durch den städtischen Zuzug mitunter das Verständnis füreinander abhandengekommen. Vielfach müssen die Betriebe mit Tierhaltung feststellen, dass sie ihre gelebte fachliche Praxis immer wieder neu erklären müssen. Zudem sind viele Verbraucher durch eine kritische Berichterstattung zur Landwirtschaft sensibilisiert. Sie können daher häufig nicht einordnen, wie Landwirte und Landwirtinnen ihren Beruf ausüben, ob bestimmte Tätigkeiten fachlich begründet sind – und eben doch nicht kritisch beurteilt werden müssen.

Was aber, wenn es immer weniger Milchkuhhaltungen und immer weniger Milchkühegibt? Von der regionalen Versorgungsleistung und den Existenzen der einzelnen Tierhalterinnen und Tierhalter abgesehen hängt da noch sehr viel mehr dran …

Ein wachsendes Problem: Die Versorgungslage im ländlichen Raum …

Nicht nur die Zahl der Betriebe mit Tierhaltung und der Kühe schrumpft: Ein wachsendes Problem ländlicher Räume zeigt sich auch bei der Infrastruktur: Post- und Bankfilialen schließen ebenso wie Metzgereien und Bäckereien, es gibt immer weniger Geschäfte für Lebensmittel und Dinge des täglichen Bedarfs, und auch bei der medizinischen Versorgung durch niedergelassene Ärzte tun sich immer größere Lücken auf.