18. November 2020

© Luca Lannaccone / Pixabay

„Agrarsubventionen“ – aus gutem Grund!

Kürzlich hat die EU Beschlüsse gefasst, in denen es um die sogenannten Agrarsubventionen geht. Kritische Stimmen stellen diese Zahlungen immer wieder infrage. Was hat es damit auf sich? Wer bekommt Geld wofür? Wem nutzt es? DIALOG MILCH gibt einen Überblick.

Was sind „EU-Agrarsubventionen“?

Agrarsubventionen sind Gelder, die im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) für die Förderung von Landwirten und ländlichen Regionen bereitgestellt werden. „Insgesamt stehen für die Agrarförderung in Deutschland von 2014 bis 2020 jährlich rund 6,2 Milliarden Euro an EU-Mitteln zur Verfügung“, berichtet das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Diese Förderung gliedert sich in zwei Säulen: die sogenannten Direktzahlungen je Hektar landwirtschaftlicher Fläche (1. Säule) sowie Förderprogramme für die nachhaltige und umweltschonende Bewirtschaftung und die ländliche Entwicklung (2. Säule).

Welche Gründe gibt es für die Direktzahlungen – die 1. Säule der Agrarsubventionen?

Das BMEL benennt drei Gründe: Erstens sollen damit „die vielfältigen gesellschaftlichen Leistungen der Landwirtschaft honoriert und gesichert werden. Landwirte tragen eine hohe Verantwortung für den Erhalt der Kulturlandschaften, die Versorgung der Bevölkerung mit qualitativ hochwertigen Lebensmitteln in ausreichender Menge, sie prägen das soziale Gefüge in den Dörfern und schaffen Einkommens- und Beschäftigungsmöglichkeiten im ländlichen Raum.“ Zweitens seien „die staatlichen Förderungen ein Ausgleich dafür, dass Landwirte in Europa gerade in den Bereichen Umwelt-, Tier- und Verbraucherschutz deutlich höhere Standards einhalten müssen als viele ihrer Kollegen in anderen Teilen der Welt. […] Die Förderung soll diesen Nachteil ausgleichen und sorgt für eine hohe Produktsicherheit und Qualität.“ Und drittens sollen die Direktzahlungen dazu dienen, die Einkommen zu sichern und zu stabilisieren sowie zur Risikovorsorge der Landwirte beitragen, indem sie die Auswirkungen der zum Teil extremen Preisschwankungen bei Agrarprodukten abfedern.

Müssen Voraussetzungen erfüllt werden, um Direktzahlungen zu erhalten?

Die Direktzahlungen sind seit jeher an die Bedingung geknüpft, dass bestimmte Vorgaben u. a. in den Bereichen Umweltschutz, Lebens- und Futtermittelsicherheit, Tiergesundheit und Tierschutz erfüllt werden (Cross Compliance und Greening – vgl. Textkasten Cross-Compliance). Mit der jüngsten Reform der GAP und der Einführung der eco-schemes (vgl. Infokasten Definitionen) in der 1. Säule wird das Greening ersetzt und Umweltmaßnahmen spielen eine noch größere Rolle.

Nach den Greening-Vorgaben erhalten Landwirte nur dann die vollen Direktzahlungen, wenn bestimmte Auflagen erfüllt und zusätzliche Umweltleistungen erbracht werden. Dazu gehören der Erhalt von Wiesen und Weiden, Vorgaben zur Vielfalt beim Anbau von Kulturen auf Ackerflächen sowie die Verpflichtung, ökologische Vorrangflächen wie Hecken oder Pufferstreifen zu Gewässern auf fünf Prozent des Ackerlands bereitzustellen.

Wer bekommt Direktzahlungen?

Die Direktzahlungen gehen keineswegs nur an landwirtschaftliche Betriebe. Laut Proplanta war das Landesamt für Umwelt in Potsdam mit knapp über 20 Mio. € im Jahr 2019 der größte Empfänger in Deutschland, gefolgt von dem Ministerium für Landwirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern mit gut 10,2 Mio. €. Rund 8,6 Mio. € erhielt der an Position drei stehende Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz. Erst an siebter Position stand im Jahr 2019 eine (überregionale) Erzeugergenossenschaft für Blumen, Pflanzen, Obst und Gemüse mit einer Summe von gut 6,1 Mio. €.

Infokasten: Elemente von Cross-Compliance (Überkreuzverpflichtungen

Cross Compliance bedeutet die Bindung von EU-Agrarzahlungen (Subventionen) an Verpflichtungen aus den Bereichen Umweltschutz, Gesundheit von Mensch, Tier und Pflanze sowie Tierschutz.

1.   Die „Grundanforderungen an die Betriebsführung“ sind die wichtigsten Regelungen aus insgesamt 13 europäischen Rechtsakten zu Umweltschutz, Lebens- und Futtermittelsicherheit, Kennzeichnung und Registrierung von Tieren, Tierseuchenbekämpfung, Pflanzenschutzmitteleinsatz sowie Tierschutz, die für Landwirte relevant sind. Sie galten und gelten bereits unabhängig von Cross-Compliance, werden aber durch die Cross-Compliance zusätzlich mit den Zahlungen verknüpft.

2.   Hinzu kommen die Standards zur Erhaltung landwirtschaftlicher Flächen in „gutem landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand“: Dazu zählen sieben Standards, mit denen unter anderem die Bodenerosion reduziert, die Beseitigung von Landschaftselementen verhindert, aus der Erzeugung genommene Flächen begrünt und Gewässer geschützt werden sollen (Quelle: BMEL).

Wofür gibt es die Förderprogramme der „zweiten Säule“?

Neben den Direktzahlungen aus der ersten Säule verfolgt die GAP mit der zweiten Säule das Ziel, die Zukunft für die Menschen im ländlichen Raum attraktiv zu gestalten. Das zentrale Förderinstrument ist hier der Europäische Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER). Die Förderung zielt vorrangig auf eine starke Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft, auf eine sichere, nachhaltige Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen und auf die Unterstützung der Wirtschaftskraft in den ländlichen Regionen.

Neben den daraus geförderten freiwilligen Agrarumwelt- und Klimaschutzmaßnahmen (AUM) der Landwirtschaft ist die Stärkung landwirtschaftlicher Betriebe durch Investitionen in Landwirtschaft, Tourismus, Landschaftspflege und Hofläden ein zweiter Bereich. Darüber hinaus gehören die wirtschaftliche Entwicklung in ländlichen Gebieten sowie lokale Dorfentwicklungsprojekte dazu, um attraktive und funktionsfähige ländliche Räume und Dörfer zu gestalten. Schließlich zielt LEADER auf die Unterstützung innovativer Projekte in ländlichen Regionen.

Wem nutzen die Agrarsubventionen?

Sowohl die Erhaltung der ländlichen Räume als auch die Förderung von Innovationen nutzen allen Menschen, die nicht in einem Ballungsraum leben, sondern in Kleinstädten, Gemeinden und Orten „auf dem Land“. Und das sind mit etwa 90 Prozent der Fläche in Deutschland und mehr als der Hälfte der Einwohner Deutschlands (rund 47 Mio. Menschen) mehr als beachtliche Anteile.

Agrarsubventionen haben mit im Schnitt rund 40 % einen hohen Anteil am Einkommen der landwirtschaftlichen Betriebe. Damit sichern sie einerseits das Fortbestehen der Betriebe, die mit den geringen Verkaufspreisen für die landwirtschaftlichen Produkte ansonsten nicht überleben könnten. Andererseits sorgen die Subventionen dafür, dass die über Jahrhunderte gestaltete und gepflegte, nicht zuletzt auch als Freizeit- und Urlaubsziel geschätzte Kulturlandschaft weiter erhalten werden kann. Beides kommt unmittelbar den Verbrauchern zugute: Sie können für wenig Geld qualitativ hochwertige Lebensmittel kaufen und zugleich die Vielfalt der heimischen Landschaften genießen.

Definitionen:

Eco-Schemes: „Die Eco-Schemes – übersetzt: Öko-Regelungen – sollen ein Angebot von Maßnahmen zum Umweltschutz darstellen. In der neuen Förderperiode der GAP ab 2023 sind 20 bis 30 Prozent der Direktzahlungen aus der ersten Säule für die Eco-Schemes vorgesehen. Diesen Anteil müssen die EU-Mitgliedstaaten verpflichtend im Budget der ersten Säule reservieren.“ (agrarheute)

ELER: ELER steht für den Europäischen Landwirtschaftsfonds zur Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums. In 13 Länderprogrammen wurden die Ziele und Maßnahmen für die Förderperiode 2014 bis 2020 festgelegt.

LEADER: LEADER steht für „Liaison Entre Actions de Développement de L`Économie Rurale“ (Verbindung zwischen Aktionen zur Entwicklung der ländlichen Wirtschaft). Mit Maßnahmen- und Entwicklungsplänen soll Lebens- und Wirtschaftsräumen im Ländlichen Raum neue Impulse gegeben und dazu beigetragen werden, diese Regionen weiter zu entwickeln und so zukunftsfähig zu gestalten.