21. Januar 2021

Bild von Raymond Zachariasse auf Pixabay

Lesen Sie hier den zweiten Beitrag zum Thema des Monats im Januar 2021.

Der Milchpreis: Welche Rolle spielen Politik und Export?

Dass die an die Landwirte ausgezahlten Erzeugerpreise für Kuhmilch starken Schwankungen unterliegen, liegt zum Teil an dem Angebot und der Nachfrage am Weltmilchmarkt. Dieses wirkt sich unmittelbar auf die Exporte von Milchprodukten aus. Auch die Politik hat in den vergangenen Jahrzehnten mit unterschiedlichen Maßnahmen eingegriffen. Eine einfache Lösung für das auf und Ab der Preise zeichnet sich aber bis heute nicht ab.

Welche Rolle spielen Exporte?

Die Erzeugung von Kuhmilch in der EU ist seit dem Auslaufen der Milchquote im Jahr 2015 von seinerzeit 147 Millionen Tonnen auf rund 167,8 Millionen Tonnen im Jahr 2019 (BMEL) gestiegen. Nach Angaben des Ministeriums war Deutschland 2019 in der EU der mit Abstand größte Erzeuger (rund 33 Mio. t); mit 25 Millionen Tonnen bzw. 15,7 Millionen Tonnen folgten Frankreich und England auf den Plätzen zwei und drei. Damit erzeugt die EU wie „schon in den vergangenen Jahren […] mehr Milch, als sie selbst verbraucht.“

Nach Aussagen des BMEL geht etwa die Hälfte der in deutschen Molkereien verarbeiteten Milch in den Export; dabei stehen die Ausfuhren in andere Mitgliedstaaten der EU an erster Stelle. Auch Drittstaaten haben eine große Bedeutung für die gesamte Milchwirtschaft. So führt Deutschland in nennenswertem Umfang Milcherzeugnisse in kaufkräftige Drittländer (z. B. China, Japan, Nordamerika, Schweiz, Algerien) aus (vgl. dazu hier).

Politik „für den Milchmarkt“

Ein Blick auf die wechselvolle Geschichte der Milchpolitik in der europäischen Staatengemeinschaft ist ernüchternd. Er zeigt, dass weder Mengenbegrenzungen (Stichwort „Milchquote“) noch der liberalisierte Milchmarkt zu der gewünschten stabilen Situation, zu der bedarfsgerechten Erzeugung und der Erhaltung der bäuerlichen Familienbetriebe geführt haben (zur „Milchpolitik“ vgl. Tab. 1).

So berichtet die Bundesregierung: „Die Quotenregelung hat Preis- und Einkommensschwankungen genauso wenig verhindern können wie den langfristigen Trend zur Abnahme der Zahl der Milchkuhhaltungen. Bei Einführung der Quote im Jahr 1984 gab es in Deutschland 369.000 Milcherzeugerinnen und Milcherzeuger; im Jahr 2014, dem letzten Jahr vor Auslaufen der Quotenregelung, waren es 78.000. Das heißt, auch in der Quotenzeit hat ein erheblicher Strukturwandel stattgefunden, der vergleichbar war und zum Teil sogar höher lag als in den anderen, weniger stark reglementierten Marktordnungsbereichen.“

 Warum Lösungen so schwierig sind

Die Situation auf dem globalen, dem europäischen und dem nationalen Milchmarkt ist überaus komplex. Akteure sind zunächst die einzelnen Milchkuhhalter. Sie entscheiden auf einzelbetrieblicher Ebene und entsprechend dem jeweils vorgegebenen politischen Rahmen, wie sie wirtschaften. Dazu gehört auch die Frage, ob sie dem wirtschaftlichen Zwang zu mehr Effizienz und weiterem Wachstum nachgeben und in die betriebliche Entwicklung investieren (wollen oder können).

Das ändert allerdings nichts an der generellen Situation auf dem Milchmarkt: Während einerseits die Zahl der deutschen Milchkuhbetriebe kontinuierlich zurückging, stieg hierzulande die Zahl der Milchkühe pro Halter. Die Produktionskapazitäten der aufgebenden Betriebe wurden von den Wachstumsbetrieben übernommen (BMEL) bzw. zum Teil auch durch die steigenden Milchleistungen der Kühe kompensiert. In der Konsequenz produzieren Deutschland und die EU weiterhin mehr Milch, als in dem eigenen Wirtschaftsraum konsumiert wird.

Auch die Milchkuhbetriebe in den anderen europäischen Ländern sehen sich in einer ähnlichen Situation. Obwohl also Milchkuhhalter überall in Europa mit den gleichen Problemen zu kämpfen haben, scheint es schwer, zu einem einheitlichen Handeln zu finden. Und das ist verständlich, denn eine Wachstumsstrategie, bei der steigende Produktionsmengen zu einer besseren Effizienz und höherer Wirtschaftlichkeit führen, kann aus einzelbetrieblicher Sicht durchaus sinnvoll sein. Milchkuhhalter überall in Europa sind sich ihres Dilemmas bewusst: Der Markt erfordert einerseits eine Reduzierung des Angebots oder einen deutlichen Nachfrageschub, d. h. alle Landwirte müssten einheitlich mit einer Verknappung des Angebots reagieren. Andererseits kann eine Reduzierung der Milchmenge aus einzelbetrieblicher Sicht in Tiefpreisphasen nicht sinnvoll sein, weil dies die Liquidität des Betriebs gefährden würde. Die Möglichen Kosteneinsparungen bei einer Verminderung der Milchproduktion werden zumeist überschätzt. Für dir Milchbauern gilt deshalb i.d.R.: „Nichts ist so teuer wie Milch nicht zu produzieren!“

Tatsächlich könnte eine Verknappung des Angebots auf dem Milchmarkt ein etwas höheres Preisniveau ermöglichen. Angesichts des weitgehend liberalisierten Weltmilchmarkts müsste diese Verknappung aber weltweit eintreten; zugleich dürfte die bereits angesprochene Preissensibilität der Verbraucher nicht dazu führen, dass die Nachfrage proportional zu steigenden Preisen sinken würde.

Neben dem Wachstum der einzelnen landwirtschaftlichen Betriebe ist auch eine zunehmende Konzentration auf dem Molkereisektor und seitens des Lebensmitteleinzelhandels zu beobachten. Beispielsweise wurde im Oktober 2020 der von Aldi ein halbes Jahr zuvor vereinbarte Preisaufschlag für Trinkmilch von 5 Cent pro Liter nicht weiter fortgesetzt. „Damit dürfte der Preis mindestens um die Höhe des Aufschlages nach unten gedrückt werden“, lautete dazu das Fazit in der Fachpresse, die darüber hinaus feststellt: „Dies würde sich auch auf die übrigen Discounter auswirken.“ Die Marktmacht der einzelnen großen „Player“ auf dem Milchmarkt ist nicht zu unterschätzen.

Weitere Artikel zum Thema des Monats:

Woher kommt das Auf und Ab der Milchpreise?

Der Milchpreis im Zeichen von Risikomanagement und Preisabsicherung