28. Januar 2021

Der Vierte Teil zu unserem Thema des Monats im Januar 2021.

Wieso? Weshalb? Warum? Entwicklung der „Milchpreispolitik“ und Instrumente zum Risikomanagement

Die wechselvolle Geschichte der „Milchpreispolitik“ in Europa zeigt, wie komplex das Geschehen ist und an welch unterschiedlichen Stellen die Politik bislang angesetzt hat. Es steht zu erwarten, dass „betriebs-individuelle“ Strategien zum Risikomanagement zukünftig eine wesentliche Rolle bei der Bildung und Absicherung der Milchpreise spielen werden.

 

Milchpolitik in Europa – vom Protektionismus zur Liberalisierung – eine Übersicht[1]

1957: Gründung der europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG): Ziele waren, die Produktivität der Landwirtschaft zu fördern, die Märkte zu stabilisieren und die Lebenshaltung der landwirtschaftlichen Bevölkerung zu sichern.

1968: Erste gemeinsame Marktordung für Milcherzeugnisse mit Garantiemengenregelungen, staatlichen Aufkäufen zur Preisstützung, Vermarktungshilfen im Binnenmarkt, Exporterstattungen und hohem Außenschutz. Fehlende Mengenobergrenzen führten zu Milchseen und Butterbergen.

1984: Einführung der Milchquote zur Beseitigung des Ungleichgewichts zwischen Angebot und Nachfrage; Festlegung und Aufteilung einer Gesamtgarantiemenge auf die EWG. Die ursprünglich auf fünf Jahre angelegte Milchquote wurde mehrfach verlängert.

1992: Auf anderen Märkten (etwa Getreide und Rindfleisch) erfolgte mit der MacSharry-Reform ein Paradigmenwechsel; Preisstützungen wurden schrittweise abgebaut und daraus resultierende Einkommensverluste mit Direktzahlungen ausgeglichen.

1999: Mit der Agenda 2000 (1999) und den Luxemburger Beschlüssen (2003) wurde auch die Milchmarktordnung in Richtung einer marktorientierten Politik reformiert. Stützpreise[2] für Butter und Magermilchpulver (MMP) wurden gesenkt und dies ab dem Wirtschaftsjahr 2004/2005 durch Kompensationszahlungen ausgeglichen. Weiterhin zielten die Luxemburger Beschlüsse darauf ab, Direktzahlungen an Betriebe an die Einhaltung von Produktions- und Umweltstandards zu knüpfen (Cross Compliance, vgl. hier).

2007: Separate Marktordnungen für 21 Erzeugnisse bzw. Erzeugnisgruppen werden zu einer gemeinsamen Marktordnung zusammengefasst; dies tritt für Milch und Milcherzeugnisse zum 1. Juli 2008 in Kraft.

2008: Im Rahmen des sogenannten Health check der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) wird 2008 das Ende der Milchquote zum 31. März 2015 beschlossen.

2015/2016: „Milchkrise“ – infolge höherer Erzeugerpreise im Jahr 2014 und mit Blick auf das Auslaufen der Milchquote hatten viele Milcherzeuger ihre Rohmilchlieferung zum Teil erheblich ausgedehnt. Das erhöhte Angebot konnte insbesondere wegen verhaltener internationaler Nachfrage und der stagnierenden Inlandsnachfrage nur zu geringeren Preisen abgesetzt werden. Es folgte ein rascher und starker Preisverfall für die Landwirte.

Zusammenstellung von Instrumenten zum Risikomanagement weltweit[3]

1)    Warenterminbörse: Kontrakte für Butter, Magermilch- und Molkepulver sowie Flüssigmilch (seit 2018) werden an der EEX in Leipzig gehandelt.

2)    Garantiepreis-Zertifikate: Beispiel Dairy Trading Online (DTO) zur Absicherung der Differenz zwischen dem Marktpreis und dem abgeschlossenen Garantiepreis.

3)    Garantiepreise: Können ggf. von der Molkerei angeboten werden und sichern einen Durchschnittspreis über einen längeren Zeitraum, der temporäre Spitzen und Tiefen glättet. Das kann die Planungssicherheit erhöhen.

4)    Versicherungen: Indexversicherung dienen zur Preisabsicherung eines durchschnittlichen nationalen Milchpreises. Damit wird das Recht erkauft, in Abhängigkeit von einem objektiv messbaren, vertraglich definierten außerbetrieblichen Index (Milchpreis) eine Zahlung zu erhalten.

5)    Intervention: Temporäre Einlagerung von Butter und Magermilchpulver durch öffentliche Stellen, um ein Überangebot abzuschöpfen und den Markt zu entlasten.

6)    Diversifikation von Betriebszweigen: Dies gilt sowohl auf der Erzeugerebene als auch auf Ebene der Milchverarbeitung. Bei Molkereien kann Diversifizierung bspw. durch die Besetzung unterschiedlicher Nischen und/ oder räumlich getrennter Märkte erfolgen.

7)    Rücklagen: Privatwirtschaftliche Maßnahme, um bestimmte Erlösüberschüsse zurückzulegen und um diese im Krisenfall zur Aufrechterhaltung der Liquidität zu nutzen.

(Ergänzender Literaturtipp zum Thema „Risikomanagement in der Landwirtschaft“)

[1] Thünen Working Paper 118 und Bundesregierung

[2] Stützpreis ist der Preis eines Produkts, der durch eine Regierung festgelegt oder stabilisiert wird, so dass er nicht unter ein bestimmtes Niveau sinken kann (onpulson).

[3] verändert nach: Thünen Working Paper 118 und agrarheute

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